aa) Grundlage: Versicherungssumme
Rz. 107
Der Versicherungsschutz wird insbesondere durch die im Versicherungsschein angegebene Versicherungssumme (in Verbindung mit dem vereinbarten Selbstbehalt, dazu sub 2.c), siehe Rdn 111) begrenzt. Die D&O-Versicherung ist eine Schadensversicherung. Die im Versicherungsschein genannte Deckungssumme gilt als Höchstbetrag für jeden Versicherungsfall und für alle während des Versicherungsjahres ("aggregate limits") eingetretenen Versicherungsfälle zusammen (Ziff. A-6.4 Abs. 1 S. 1 AVB-D&O).
bb) Verteilung bei nicht ausreichender Versicherungssumme
Rz. 108
Ein Verteilungsthema entsteht bei der sog. Unternehmenspolice, wenn sich die vereinbarte Versicherungssumme (vgl. Ziff. A-6.4 Abs. 1 AVB-D&O) im Schadenfall als nicht ausreichend erweist. Beispielsweise sei auf den Fall "schwarzer Kassen" bei der Siemens AG verwiesen. Die D&O Verträge enthalten zu dieser Fragestellung i.d.R. keine (klaren) Regelungen. Fehlen derartige Regeln, muss der Versicherer ggfs. Verteilungen vornehmen:
Insoweit bietet sich in der Praxis eine entsprechende Anwendung des § 109 S. 1 VVG (Proportionalitätsprinzip) und damit auch eine quotale Verteilung (weder Kopf- noch Prioritätsprinzip) oder eine Anwendung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung an.
Denkbar wäre auch eine Heranziehung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Mehrheit von Gläubigern (vgl. §§ 420 bis 432 BGB), etwa § 428 S. 1 BGB. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Versicherten – immer bezogen auf den Anspruch auf die Deckungssumme – keine Gesamtgläubiger i.S.v. § 428 S. 1 BGB sind, worauf zu Recht auch Armbrüster hinweist.
Armbrüster favorisiert daher das sog. Prioritätsprinzip. Tritt innerhalb einer Versicherungsperiode ein erster Versicherungsfall ein und bietet der Versicherer für diesen Fall Schutz, entsteht dann ein weiterer Versicherungsfall später und ist die verfügbare Summe bereits durch die auf den ersten Versicherungsfall entfallene Versicherungsleistung erschöpft, hat der Versicherer den sog. Erschöpfungseinwand.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Versicherer im Zeitpunkt der Regulierungsleistung von den weiteren Versicherungsfällen noch keine Kenntnis hatte und somit "gutgläubig" die Versicherungssumme ausgeschöpft hat. Auf diese Kenntnis kommt es ganz offensichtlich nach der Ansicht von Armbrüster nicht an, denn er stellt darauf ab, ob die Versichererleistung objektiv geschuldet war. Würde – so Armbrüster – man auf die tatsächliche Regulierung abstellen, so hätte es der Versicherer in der Hand, durch die raschere Leistung auf einen später eingetretenen Versicherungsfall im Ergebnis die Situation der Gesamtgläubigerschaft herbeizuführen, was nicht interessengerecht sei. Sind mehrere Versicherungsfälle in einer Versicherungsperiode gleichzeitig eingetreten, ergäbe die ergänzende Auslegung des Versicherungsvertrages, dass eine unzureichende Versicherungssumme auf alle betroffenen Versicherten zu verteilen ist, und zwar – so Armbrüster – im Zweifel nach Köpfen und nicht in Gestalt einer Quote.
Diese Ausführungen von Armbrüster zur Verteilung nach Köpfen vermögen im Ergebnis nicht zu überzeugen. Er orientiert sich daran, dass der angebliche "mutmaßliche Wille der Beteiligten" dahingehe, eine Aufteilung nach dem Kopfprinzip vorzunehmen. Alleine diese Ausgangsthese ist im Einzelfall betrachtet nicht wirklich nachvollziehbar. Auch das weitere Argument, dass bei Anwendung des Kopfprinzips als Verteilungsmaßstab eben nicht der Einwand greife, dass derjenige am meisten profitiert, der den größten Schaden bzw. Abwehraufwand verursacht hat, verkennt meines Erachtens die Schutzrichtung des Verteilungsprinzips. Schutz sucht der Geschädigte, nicht der Verursacher. Dies ist ein anderer Blickwinkel.
Deshalb helfen die von Armbrüster angeführten Überlegungen zum Gerechtigkeitsprinzip und/oder auch zum Gleichbehandlungsgrundsatz nicht wirklich weiter bzw. überzeugen diese nicht.
Es geht beim Haftpflichtversicherungsschutz vor allen Dingen darum, dass die Geschädigten entschädigt werden. Deshalb ist die Betrachtung der Interessenlage der einzelnen versicherten Personen schon vom Ansatz her zweifelhaft. Aber selbst dann hat derjenige, der ein höheres Schadensvolumen verursacht hat, auch ein anzuerkennendes erhöhtes Eigeninteresse an einer quotalen Befriedigung.
Die Lösung ist meines Erachtens daher – fehlen klare Regeln im D&O Versicherungsvertrag – am besten unter Berücksichtigung des Proportionalitätsprinzips – also der quotalen Verteilung – zu sehen, einem Rechtsgedanken, den der Gesetzgeber generell als Verteilungsregel auch im VVG anerkannt hat (§ 109 S. 2 VVG). Das Ergebnis entspricht der Interessenlage in der Praxis auch noch am ehesten. Und: Wenn verteilt werden muss, ist nicht wirklich überzeugend, weshalb die Kopf-Verteilung angemessener erscheinen soll als die quotale Verteilung der Höhe nach, wobei letzteres wenigstens im VVG (§ 109 VVG) eine "Stütze" findet.
Im Zweifel entwickeln sich zudem auch Folgeprobleme. Denn ist etwa die Versicherungssumme ausgeschöpft und erhält eine vers...