Rz. 187
Bei den kaum abschätzbaren Risiken im Bereich der D&O-Haftpflichtversicherung übernimmt in der Praxis zumeist nicht mehr nur ein Versicherer das Vermögensrisiko. Vielmehr teilen sich mehrere Versicherer – ein sog. Versicherungskonsortium – das Risiko.
Dies kann "verdeckt" geschehen (sog. verdeckte Mitversicherung: "Kellerpolice") oder offen gelegt werden ("offene Mitversicherung").
Die Mitversicherung ist im VVG nicht geregelt. Bei der verdeckten Mitversicherung schließt die Versicherungsnehmerin nur einen Versicherungsvertrag und der Versicherer seinerseits dann weitere Verträge mit anderen Versicherern (ggfs. ohne Kenntnis der VN: sog. Kellerpolice) unter Prämien- und Risikoaufteilung. Bei der offenen Mitversicherung beteiligen sich mehrere Versicherer an der Deckung desselben Risikos, wobei im Einzelfall auszulegen ist, ob die VN mit den Versicherern jeweils selbstständige Verträge, wenngleich voneinander abhängige, schließt oder einen einheitlichen, aber eben nur und ausschließlich "einen" Vertrag.
In der Regel übernehmen die Versicherer das Risiko (einen Teil der Haftung) in einer bestimmten Quote und damit anteilmäßig (z.B. 60 %/40 %) und erhalten dafür einen – kartellrechtlich getrennt – ausgehandelten Teil der Prämie.
Um nach außen klarzustellen, wer in Bezug zur Versicherungsnehmerin auftritt und wer zentraler Ansprechpartner ist, vereinbaren die beteiligten Versicherer bei der offenen Mitversicherung häufig oder sogar heute üblicherweise sog. Führungsklauseln.
Die Führungsklausel kann – je nach Formulierung und Auslegung – auch die Ermächtigung i.S.d. § 185 BGB enthalten, im Wege des Regresses übergegangene Ansprüche gegen den Schädiger nach § 86 VVG geltend zu machen.
Beispiel
Der führende Versicherer ist von den Mitversicherern ermächtigt, alle Rechtsstreitigkeiten auch bezüglich ihrer Anteile als Kläger oder Beklagter zu führen. Ein gegen den oder von dem führenden Versicherer erstrittenes Urteil wird deshalb von den Mitversicherern als auch für sie verbindlich anerkannt.
Die Klauseln sind zum Teil sehr unterschiedlich ausgestaltet. Nicht immer werden alle Versicherungsbedingungen bereits nach § 305c Abs. 1 BGB Bestandteil auch einer Vermögenschaden-Haftpflichtversicherung. Zudem stehen Führungsklauseln ebenfalls unter dem Damoklesschwert des AGB-Rechts (§ 307 BGB). Das OLG Köln hat aber beispielsweise eine Führungsklausel im Rahmen der Mitversicherung eines D&O-Versicherungsvertrages, nach der die Führung ausschließlich in den Händen eines Mitversicherers lag und die mitbeteiligten Versicherer sich diesem in jeder – den Versicherungsvertrag betreffenden – Erklärung angeschlossen hatten, eine Ermächtigung gesehen, die die Handhabung des Vertrages für alle Beteiligten (lediglich) vereinfachen und das Kostenrisiko für beide Teile vermindern sollte, weder für überraschend noch für unklar im Sinne des AGB-Rechts gehalten.
Im Regelfall stimmt sich der "führende Versicherer" bei wesentlichen Entscheidungen mit den übrigen Versicherern des Konsortiums ab und veröffentlicht erst dann die (abgestimmte) Entscheidung.
Fraglich ist aber, ob und inwieweit die anteilig haftenden Versicherer den sog. führenden Versicherer ggf. für die unentgeltliche bzw. entgeltliche, aber jedenfalls "pflichtverletzende" Geschäftsführung nach § 675 i.V.m. § 280 BGB – etwa, wenn der "führende Versicherer" Verbindliches ohne Zustimmung der Mitversicherer erklärt und dabei Schäden produziert hat – bei etwaigen Schäden in Anspruch nehmen können. Letzteres dürfte – im Falle einer verschuldeten Pflichtverletzung des Führenden, die zu einem kausalen Schaden der übrigen Mitversicherer geführt hat – tatsächlich nicht ausgeschlossen sein. Denn die Verbundenheit im Rahmen der Mitversicherung führt – nolens volens – zur Annahme erhöhter Treue- und Informationspflichten und auch zur Pflicht, etwaige Schäden abzuwenden.