Rz. 158
Das Gesetz regelt die Thematik der Gefahrerhöhung in den §§ 23 ff. VVG. Die Versicherungsnehmerin darf nach Abgabe ihrer Vertragserklärung ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch einen Dritten gestatten (§ 23 Abs. 1 VVG). Erkennt die Versicherungsnehmerin nachträglich, dass sie ohne Einwilligung des Versicherers eine Gefahrerhöhung vorgenommen oder gestattet hat, hat sie diese Gefahrerhöhung dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen (§ 23 Abs. 2 VVG). Dies gilt auch, wenn die Gefahrerhöhung unabhängig vom Willen der Versicherungsnehmerin eingetreten ist (§ 23 Abs. 3 VVG). Verletzt die Versicherungsnehmerin die soeben beschriebenen Pflichten, kann der Versicherer – entweder ohne Einhaltung einer Frist, teilweise unter Einhaltung einer Frist von einem Monat (vgl. § 24 Abs. 1 und Abs. 2 VVG) – kündigen (zum Erlöschen des Kündigungsrechts vgl. § 24 Abs. 3 VVG). Anstelle der Kündigung kann der Versicherer ab dem Zeitpunkt der Gefahrerhöhung auch eine seinen Geschäftsgrundsätzen für diese höhere Gefahr entsprechende Prämie verlangen oder die Absicherung der höheren Gefahr ausschließen (§ 25 Abs. 1 VVG). Bei Prämienerhöhungen größer 10 % oder bei Ausschluss der Absicherung der höheren Gefahr kann auch – umgekehrt – dann die Versicherungsnehmerin kündigen (§ 25 Abs. 2 VVG) innerhalb eines Monats. Tritt der Versicherungsfall nach einer Gefahrerhöhung ein, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn die Versicherungsnehmerin ihre Pflichten aus § 23 Abs. 1 VVG vorsätzlich verletzt hat. Bei grob fahrlässiger Verletzung kommt es zur Leistungskürzung (vgl. § 26 Abs. 1 VVG). In den Fällen einer Gefahrerhöhung nach § 23 Abs. 2 und 3 VVG ist der Versicherer unter den dort genannten Umständen ebenfalls leistungsfrei. Die Leistungsfreiheit gilt nur unter den beiden Ausnahmetatbeständen des § 26 Abs. 3 Nr. 1 und 2 VVG nicht.
Rz. 159
Ferner sind die §§ 23 ff. VVG gar nicht erst anzuwenden, wenn nur eine unerhebliche Gefahrerhöhung vorliegt. Bereits im Modell von 2007 hatte der GDV seine ursprünglichen Bedingungen (vgl. zu den Modellbedingungen von 2005 und früheren Auflagen) den Reformüberlegungen des Gesetzgebers angepasst und daran auch in späteren Modellen festgehalten. Die Regelungen zur Gefahrerhöhung finden sich nun in Ziff. B3–2 AVB-D&O.
Die Versicherungsnehmerin hat "nachträglich", also jedenfalls "nach Abgabe seiner Vertragserklärung" (vgl. § 23 VVG) – und zwar nach Gesetz – unbefragt vom Versicherer folgende Gefahrerhöhungen unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB), anzuzeigen:
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Börsennotierung; |
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Änderung des Gesellschaftszwecks bzw. der Satzung; |
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wesentliche Erweiterung oder Änderung des Geschäftsbereichs; |
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Änderung der Gesellschafterstruktur und der Stimmrechtsverhältnisse von mehr als 10 % (in manchen Policen auch mehr als 25 %); |
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der Erwerb oder die Gründung von Gesellschaften, deren Bilanzsumme mehr als 10 % der konsolidierten Bilanzsumme der Versicherungsnehmerin beträgt; |
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die freiwillige Liquidation oder den Eintritt der Insolvenzreife über das Vermögen der Versicherungsnehmerin oder eines Tochterunternehmens. |
Rz. 160
Sollten in D&O-Bedingungen spezielle Regelungen zur Gefahrerhöhung enthalten sein, die für die Versicherungsnehmerin günstiger sind, kann sich der Versicherer in der Regel auf die §§ 23 ff. VVG nach dem Urteil des BGH vom 12.9.2012 nicht mehr berufen. In dem vom BGH entschiedenen Fall enthielten die D&O-Bedingungen von den gesetzlichen Regelungen der §§ 27 ff. VVG a.F. (jetzt: §§ 23 ff. VVG) abweichende Bedingungen. Nach diesen musste die Versicherungsnehmerin nur solche nach Vertragsschluss eingetretene Gefahrerhöhungen mitteilen, nach denen sie vom Versicherer "befragt" worden war. Nach dem Urteil des BGH stellen diese Bestimmungen "gegenüber den gesetzlichen Vorschriften eine begünstigende Abweichung dar, die einen Rückgriff auf die §§ 23 ff. VVG a.F. ausschließe".