Rz. 161
Schon nach dem Gesetz treffen die Versicherungsnehmerin weitgehende Pflichten. So hat die Versicherungsnehmerin innerhalb einer Woche die Tatsachen anzuzeigen, die ihre Verantwortlichkeit gegenüber einem Dritten zur Folge haben könnten (§ 104 Abs. 1 S. 1 VVG). Macht der Dritte seinen Anspruch gegenüber der Versicherungsnehmerin geltend, ist diese zur Anzeige innerhalb einer Woche nach der Geltendmachung verpflichtet, wobei durch die Absendung der Anzeige die Fristen gewahrt werden (§ 104 Abs. 3 i.V.m. § 30 Abs. 2 VVG). Wird gegen die Versicherungsnehmerin ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht, Prozesskostenhilfe beantragt, oder wird ihr gerichtlich der Streit verkündet, so hat sie dies, wenngleich die Fristen noch laufen, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Das Gleiche gilt, wenn gegen sie wegen des den Anspruch begründenden Schadenereignisses ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird (§ 153 Abs. 4 a.F. VVG). Darüber hinaus besteht nach § 82 VVG die Pflicht der Versicherungsnehmerin, bei dem Eintritt des Versicherungsfalls nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen und dabei Weisungen des Versicherers zu befolgen. Sie hat, soweit für sie zumutbar, Weisungen des Versicherers einzuholen. Hat die Versicherungsnehmerin diese Obliegenheiten nach § 82 Abs. 1 oder 2 VVG verletzt und ist die Obliegenheitsverletzung für die Feststellung des Versicherungsfalls oder die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers kausal geworden, ist der Versicherer, wenn die Versicherungsnehmerin die Obliegenheiten vorsätzlich verletzt hat, von der Pflicht zur Leistung frei; bei grober Fahrlässigkeit ist der Anspruch zu kürzen (§ 82 Abs. 3 Hs. 2 VVG).
Rz. 162
Gegenüber den zitierten gesetzlichen Regelungen, aber auch gegenüber § 105 VVG, enthalten einzelne D&O-Bedingungen speziellere Regeln. Dies gilt auch für die Musterbedingungen in Ziff. B3 AVB-D&O. So hat die Versicherungsnehmerin auf Verlangen des Versicherers besonders gefahrdrohende Umstände innerhalb angemessener Frist zu beseitigen. Die gilt nicht, soweit die Beseitigung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen unzumutbar ist. Ein Umstand, der zu einem Schaden geführt hat, gilt ohne Weiteres als besonders gefahrdrohend (vgl. Ziff. B3–3.1.1 S. 3 AVB-D&O zum Thema "Umstand" und "Versicherungsfall" siehe auch Rdn 68 ff.).
Rz. 163
Fast selbstverständlich ist die Regelung der Ziff. B3–3.2 b AVB-D&O, dass jeder Versicherungsfall dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen ist. Im Übrigen hat nach Ziff. B3–3.2 d–f AVB-D&O der Versicherungsnehmer bzw. die versicherte Person unverzüglich Anzeige zu erstatten bei Einleitung bestimmter – im Einzelnen benannter – "prozessualer Schritte". Die Verpflichtung besteht unabhängig davon, ob der Versicherungsfall selbst bereits angezeigt wurde.
Rz. 164
In Ergänzung zu § 82 VVG müssen die Versicherungsnehmerin und die versicherten Personen im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die Abwendung und Minderung des Schadens sorgen und dabei Weisungen des Versicherers, soweit es für die Versicherungsnehmerin zumutbar ist, beachten (Ziff. B3–3.2 a AVB-D&O). Sie haben dem Versicherer ausführliche und wahrheitsgemäße Schadenberichte zu erstellen und ihn bei der Schadensermittlung und -regulierung zu unterstützen. Alle Umstände, die nach Ansicht des Versicherers für die Bearbeitung des Schadens wichtig sind, müssen mitgeteilt sowie alle dafür angeforderten Informationen zur Verfügung gestellt werden (Ziff. B3–3.2 c AVB-D&O).
Rz. 165
Im Hinblick auf die Regelung der Ziff. B3–3.2 a AVB-D&O ist hervorzuheben, dass offen bleibt, zu welchem Zeitpunkt die "Rettungsobliegenheiten" eingreifen sollen. Die Schwierigkeit liegt auf der Hand. Neben der allgemein umstrittenen Frage, ob die sog. Vorerstreckungstheorie auch in der Haftpflichtversicherung Geltung hat, kommt im Rahmen der D&O-Versicherung hinzu, dass diese Haftpflichtversicherung den Versicherungsfall – im Gegensatz zur Allgemeinen Haftpflichtversicherung – auf der Grundlage der sog. Anspruchserhebungstheorie (claims-made, vgl. auch Rdn 77 ff.) definiert. Nach § 82 VVG beginnt indes die Rettungsobliegenheit bereits bei "Eintritt des Versicherungsfalls". Wenn konkrete Regelungen fehlen – so könnte man argumentieren – würde bei der D&O-Versicherung genau genommen erst bei Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen die Rettungsobliegenheit entstehen. Unter Zugrundelegung der Verstoß-, aber auch der Schadenereignistheorie beginnt die Rettungsobliegenheit unter Umständen deutlich früher – darauf wird zu Recht in der Literatur hingewiesen – als auf Grundlage der Anspruchserhebungstheorie. Zu dem Zeitpunkt der Anspruchserhebung kann regelmäßig dann aber der Schaden nicht mehr gemindert werden. Einzelne D&O-Versicherungspolicen stellen daher im Rahmen der Rettungsobliegenheiten auch nicht auf den Versicherungsfall (vgl. das Modell), sondern zeitlich früher unter Umständen auf den "Schadeneintritt" ab. Wenn entsprechende Regelungen fehlen ("...