Rz. 5
Zunächst hat man in Deutschland kein echtes Bedürfnis zur Absicherung der Haftpflichtrisiken von Managern – nicht einmal als Schutz vor der Existenzvernichtung – gesehen, sogar rechtspolitisch gegen die Absicherung durch eine D&O-Versicherung vorgebracht, dass eine derartige Versicherungslösung die verhaltenssteuernde Wirkung des "aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsrechts" vermindern würde. Letzteres ist nicht gänzlich falsch. Dennoch haben inzwischen Versicherer – im Umkehrschluss – versucht, hier gegenzusteuern, indem sie durch Prämienanpassungen, Haftungsausschlüsse und ähnlichem dem theoretischen Vorwurf entgegenwirken. Ebenso soll die Regelung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG, die einen zwingenden Selbstbehalt von mindestens 10 % des Schadens vorsieht, verhaltenssteuernd wirken. Insofern kann man heute davon sprechen, dass Versicherungen möglicherweise sogar risikoreduzierend auf die Gesellschaft wirken. Unbestreitbar verbessert eine D&O-Versicherung jedenfalls den vermögensrechtlichen Schutz der Gläubiger, weil sie die tatsächlichen Befriedigungschancen gegenüber den Organmitgliedern erhöht, insbesondere dann, wenn Schadenssummen astronomische Höhen erreichen. Schätzungen zufolge soll das Prämienvolumen in Deutschland 1998 und 2000 noch knapp 36 Mio. EUR und im Jahr 2006 schon über 300 Mio. EUR betragen haben. Für das Geschäftsjahr 2022 ist dem GDV ein Beitragsvolumen von 498 Mio. EUR zur D&O-Statistik gemeldet worden. Über die Meldungen hinaus geht der GDV aufgrund einer Branchenschätzung sogar von einem Beitragsvolumen von etwa 900 Mio. EUR für den deutschen Markt aus. Der Gesetzgeber und die Judikatur haben dazu beigetragen, dass Schadensersatzansprüche gegen Unternehmensleiter heute leichter und umfassender geltend gemacht werden können, was den Bedarf an entsprechenden Absicherungen geprägt hat. Daran hat auch die 2008 nach außen zutage getretene Banken- und Finanzkrise zunächst einmal nichts geändert. Im Gegenteil: Schnell wurde der Ruf nach einer Inanspruchnahme der – wie auch immer – "Verantwortlichen" noch lauter. Im Einzelnen:
1. Wichtige Gesetze
Rz. 6
Verwiesen werden soll an dieser Stelle zunächst auf die Regelung des § 147 AktG (Erleichterung der Klageerhebung gegen Organe der AG) sowie die Einführung bestimmter neuerer Rechtspflichten für Vorstände und Aufsichtsräte durch das "Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich" vom 27.4.1998, das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 1.7.2002 und auf das "Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zur Transparenz und Publizität" vom 19.7.2002. Am 1.11.2005 traten das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) sowie das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) in Kraft, zunächst befristet, das dann jedoch bis zum 31.10.2020, sodann bis zum 31.12.2023 und noch einmal bis zum 31.8.2024 verlängert wurde. Sie folgten dem bereits am 11.5.2005 in Kraft getretenen Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütung (VorstOG). Seit 2008 ist zudem das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) in Kraft. Neben Gründervorteilen werden durch dieses Gesetz Missbräuche in der Krise und Insolvenz bekämpft und Geschäftsführer stärker in die Pflicht genommen. Das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 30.7.2009 ist demgegenüber ein reines Änderungsgesetz, mit dem das deutsche Aktienrecht an zwei EU-Richtlinien (Bekämpfung missbräuchlicher Anfechtungsklagen und die Verbesserung der Präsenz in der Hauptversammlung, etc.) angepasst wurde. Weitere Neuerungen haben auch das "Gesetz zur Angemessenheit von Vorstandsv...