I. Versicherung für fremde Rechnung (Ziff. 10.1)
Rz. 172
Wie bereits ausgeführt (siehe Rdn 26 ff.) handelt es sich bei der D&O-Versicherung grundsätzlich um eine Versicherung für fremde Rechnung (vgl. § 43 VVG). Bei der Versicherung für fremde Rechnung stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag ("ausschließlich", vgl. Ziff. A-8.1 AVB-D&O) dem Versicherten zu (§ 44 Abs. 1 VVG); dies gilt nur in den Fällen der company reimbursement-Klausel der Ziff. A-3 AVB-D&O nicht. Eine Insolvenz der Versicherungsnehmerin ist insoweit ohne Belang. Der Versicherer kann sich in einem Innenhaftungsfall auf eine Versicherungsbedingung, nach der der Versicherungsschutz nur durch die versicherten Personen geltend gemacht werden kann, nach Treu und Glauben jedoch nicht berufen, wenn er einen Deckungsanspruch abgelehnt hat, die versicherten Personen keinen Versicherungsschutz geltend machen und schützenswerte Interessen des Versicherers einer Geltendmachung des Anspruchs durch den Versicherungsnehmer nicht entgegenstehen.
Die Übermittlung eines Versicherungsscheins kann jedoch nur die Versicherungsnehmerin verlangen (§ 44 Abs. 1 S. 2 VVG). Der Versicherte kann ohne Zustimmung der Versicherungsnehmerin über seine Rechte nur verfügen und diese Rechte nur gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitz eines Versicherungsscheins ist (§ 44 Abs. 2 VVG). Nach § 45 Abs. 1 VVG kann die Versicherungsnehmerin über die Rechte, die dem Versicherten aus dem Versicherungsvertrag zustehen, im eigenen Namen verfügen, vorausgesetzt, sie ist im Besitz des Scheins (vgl. § 44 Abs. 2 VVG).
II. Abtretung und Verpfändung des Anspruchs
Rz. 173
Viele D&O-Versicherungspolicen in der Praxis beinhalten insofern jedoch (mehr oder weniger wirksame) Einschränkungen. So hieß es noch in Ziff. 11.2 des Modells von 2005, dass Ansprüche – vor ihrer endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers – nicht auf Dritte übertragen werden können. Dieses Abtretungsverbot des Versicherungsanspruches konnte – vor Änderung des VVG – selbst in AGB wirksam vereinbart werden. Dies hing damit zusammen, dass § 75 VVG a.F. durchaus zum Nachteil der Versicherten abbedungen werden konnte. Wenn dann trotz Abtretungsverbotes ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag abgetreten worden ist, war die Abtretung nach h.M. eben unwirksam.
Rz. 174
Mit Änderung des VVG zum 1.1.2008 hat sich diese Ausgangslage grundlegend geändert. Nach § 108 Abs. 2 VVG kann die Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Dritten nunmehr nicht mehr wirksam durch Allgemeine Versicherungsbedingungen ausgeschlossen werden. Theoretisch bliebe den Versicherern der Weg über die Individualvereinbarung, was jedoch kaum praktikabel erscheint. Zwar gilt diese Beschränkung der Vertragsfreiheit durch § 108 Abs. 2 VVG dem Wortlaut nach nicht bei Großrisiken (§ 210 VVG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 S. 2 des EGVVG), aber es ist nicht ausgeschlossen, dass der Grundgedanke des Gesetzgebers dennoch von Gerichten als so wesentlich eingestuft werden wird, dass formularmäßige Abweichungen auch im Großrisikobereich Inhaltskontrollen nicht standhalten werden.
Auf diese VVG-Änderungen hatte der GDV bereits frühzeitig im D&O-Modell 2007 reagiert. Seit 2007 heißt es daher: Die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag steht ausschließlich den versicherten Personen zu (dies gilt nur nicht im Falle der Ziff. A-3). Der Freistellungsanspruch darf vor seiner endgültigen Feststellung ohne Zustimmung des Versicherers weder abgetreten noch verpfändet werden (Ziff. A-9 AVB-D&O). In S. 2 der Ziff. A-9 AVB-D&O findet sich dann die aus § 108 Abs. 2 VVG folgende notwenige Einschränkung: Eine Abtretung an den geschädigten Dritten ist zulässig.
Rz. 175
Die Frage, wer Dritter i.S.v. § 108 Abs. 2 VVG ist, ist jedenfalls im Hinblick auf die D&O-Versicherung kontrovers diskutiert worden.
Nach dem Wortlaut des § 100 VVG ist als Dritter der von der Versicherungsnehmerin Geschädigte anzusehen. Im Rahmen von Innenhaftungsfällen der D&O-Versicherung ist Geschädigter der Versicherungsnehmer selbst.
Einer Ansicht zufolge kann der geschädigte Versicherungsnehmer nicht Dritter i.S.v. § 108 Abs. 2 VVG sein, da er nicht außerhalb des Versicherungsverhältnisses stehe. Begründet wird diese Auffassung mit dem Risiko des kollusiven Zusammenwirkens von versicherten Personen und Versicherungsnehmer bei Vereinigung des Haftpflicht- mit dem Freistellungsanspruch. Der Versicherungsnehmer, der den Versicherer bei der Abwehr von Ansprüchen unterstützen soll, wäre ansonsten Inhaber dieses Anspruchs, was mit Sinn...