A. Einführung
I. Begriff
Rz. 1
Unternehmensleiter, Vorstände, Aufsichtsräte und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften haften bekanntlich unbeschränkt und persönlich mit ihrem gesamten privaten Vermögen für schuldhaft begangene Pflichtverletzungen innerhalb ihrer unternehmerischen Tätigkeit auf Schadensersatz. Neben den allgemeinen zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen sind insbesondere gesellschaftsrechtliche Haftungsnormen einschlägig. Zur Abdeckung der Haftungsrisiken – sowohl im Bereich der Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft, als auch im Rahmen der Außenhaftung gegenüber außerhalb der Gesellschaft stehenden Gesellschaftsgläubigern, sonstigen Dritten oder gegenüber Gesellschaftern, mithin also zur Abdeckung dieses persönlichen Haftungsrisikos von Unternehmensleitern – hat die Versicherungswirtschaft eine sog. Directors & Officers Liability Insurance (D&O-Versicherung) entwickelt. Der Begriff kommt aus dem US-amerikanischen Rechts- und Wirtschaftsleben, wo sich die D&O-Versicherung schon recht früh – etwa Mitte der 30er-Jahre – entwickelt hat. In Deutschland wird diese Versicherung nicht selten unter "AVB-AVG" ("Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern") abgekürzt, beispielsweise aber auch als "Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter" oder auch als "Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Organe und leitende Angestellte" bezeichnet. Bisweilen wird auch von der "Berufshaftpflichtversicherung für Manager" gesprochen. Daneben werden (zur Abrundung) auch Strafrechtsschutzpolicen, die Versicherungsschutz für anfallende Kosten der Verteidigung wegen der Verletzung von Straftatbeständen gewähren, angeboten.
II. Entwicklungen
Rz. 2
Die D&O-Versicherung stammt aus dem anglo-amerikanischen Raum. Einige Syndikate bei Lloyd’s boten ab 1933 erste D&O-Versicherungen an. Letztlich wird der D&O-Vertrag als Reaktion auf den "schwarzen Freitag" – den Zusammenbruch der New Yorker Börse am 25.10.1929 – und den Erlass von Bundeswertpapiergesetzen in den USA verstanden ("Securities Act 1933" und "Securities Exchange Act 1934").
Rz. 3
In Europa hat sich die D&O-Versicherung vor allem über Großbritannien und die Beneluxstaaten ausgedehnt und ebenfalls in den letzten Jahrzehnten zu einem Standardprodukt entwickelt. Nachdem man in Deutschland lange Zeit überhaupt kein Bedürfnis für eine versicherungsrechtliche Abdeckung der Haftpflichtrisiken von Managern gesehen hatte, waren zwei der in den USA und auch weltweit führenden Anbieter von D&O-Versicherungen (die AIG und die CHUBB) auch hier in den 90er Jahren die ersten Anbieter.
Rz. 4
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) stellte dann im Jahre 1997 als Musterbedingungen die "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern" (AVB-AVG) vor. Die aktuelle Version dieser Bedingungen – nunmehr "AVB D&O" – aus Mai 2020 ist im Download zu diesem Werk zu finden.
Zwar hat sich die D&O-Versicherung in Deutschland inzwischen zu einem "Standardprodukt" entwickelt; dennoch hat sich bis heute kein Standardbedingungswerk durchgesetzt, was bei den nachfolgenden Erörterungen jeweils zu berücksichtigen ist. Mit anderen Worten: Es finden sich mittlerweile eine ganze Reihe variierender – und zwar erheblich variierender – Deckungsschutzkonzepte am Markt.
III. Gründe für die Einführung der D&O-Versicherung in Deutschland
Rz. 5
Zunächst hat man in Deutschland kein echtes Bedürfnis zur Absicherung der Haftpflichtrisiken von Managern – nicht einmal als Schutz vor der Existenzvernichtung – gesehen, sogar rechtspolitisch gegen die Absicherung durch eine D&O-Versicherung vorgebracht, dass eine derartige Versicherungslösung die verhaltenssteuernde Wirkung des "aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsrechts" vermindern würde. Letzteres ist nicht gänzlich falsch. Dennoch haben inzwischen Versicherer – im Umkehrschluss – versucht, hier gegenzusteuern, indem sie durch Prämienanpassungen, Haftungsausschlüsse und ähnlichem dem theoretischen Vorwurf entgegenwirken. Ebenso soll die Regelung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG, d...