Rz. 6

Wie ausgeführt, zeigt sich in der Praxis, dass die Staatsanwaltschaften regelmäßig bei solchen geringen Verletzungen des Unfallgegners und klassischen/alltäglichen Unfallsituationen wie dem Auffahrunfall geneigt sind, das Ermittlungsverfahren einzustellen. Das gilt jedenfalls dann, wenn kein Alkohol und keine Drogen im Spiel waren. In der Sache ist diese Vorgehensweise auch absolut richtig, denn auch der noch so umsichtige Kraftfahrer kann Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung begehen, durch die ein Mensch verletzt wird.[6]

 

Rz. 7

Für die Einstellung gibt es sogar eine konkrete (interne) Vorschrift, nämlich Abschnitt 243 Abs. 3 RiStBV. Es handelt sich um eine verwaltungsinterne Vorschrift, die keinen Gesetzescharakter hat, sondern vom Bundesjustizministerium in Zusammenarbeit mit den Justizministern der Länder zur Vereinheitlichung der jeweils genannten Verfahren zu gewährleisten.

 

Rz. 8

In Abschnitt 243 Abs. 3 RiStBV heißt es:

Zitat

"Ein Grundsatz, dass bei einer im Straßenverkehr begangenen Körperverletzung das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung (§ 230 Abs. 1 S. 1 StGB) stets oder in der Regel zu bejahen ist, besteht nicht. Bei der im Einzelfall zu treffenden Ermessensentscheidung sind das Maß der Pflichtwidrigkeit, insbesondere der vorangegangene Genuss von Alkohol oder anderer berauschender Mittel, die Tatfolgen für den Verletzten und den Täter, einschlägige Vorbelastungen des Täters sowie ein Mitverschulden des Verletzten von besonderem Gewicht."

 

Rz. 9

Weiter ist zu berücksichtigen, dass die fahrlässige Körperverletzung ein Antragsdelikt ist, § 230 Abs. 1 StGB, es sei denn, die Staatsanwaltschaft bejaht das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung, was in den oben genannten Fällen doch sehr häufig eher unwahrscheinlich ist.

Der Verteidiger sollte schon mit dem Akteneinsichtsgesuch unter Berücksichtigung des oben genannten die Einstellung beantragen.

 

Rz. 10

Muster 24.1: Akteneinsicht mit Antrag auf Einstellung

 

Muster 24.1: Akteneinsicht mit Antrag auf Einstellung

In dem Ermittlungsverfahren

gegen _________________________

wegen _________________________

zeige ich ausweislich anliegender Vollmacht die Verteidigung des Herrn _________________________ an.

Eine Stellungnahme wird mein Mandant ausschließlich über mich abgeben. Bis dahin wird vom Schweigerecht Gebrauch gemacht.

Ich bitte darum, mir kurzfristig

Akteneinsicht

durch Übersendung der Akte in die Kanzlei zu gewähren. Die rechtzeitige Rückgabe der Akten wird anwaltlich zugesichert.

Sollten Sie den Vorgang zwischenzeitlich abgegeben haben, bitte ich um Weiterleitung dieses Schreibens nach dort unter Angabe meines Aktenzeichens.

Schon jetzt wird beantragt,

das Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten einzustellen.

Begründung:

Ein Strafantrag ist nicht gestellt. Zudem liegt kein besonders grober Verkehrsverstoß vor. Auch ist das Versagen nicht auf eine rücksichtslose oder verkehrsfeindliche Einstellung zurückzuführen. Der Geschädigte hat keine schwerwiegenden Verletzungen erlitten. Eine Körperverletzung i.S.d. § 229 StGB liegt nur vor, wenn die Beeinträchtigungen über eine nur geringfügige Einwirkung auf die körperliche Integrität hinausgehen (BayObLG DAR 2002, 38; OLG Karlsruhe VRS 108, 427). Die Beantwortung der Frage, ob erhebliche Verletzungen vorliegen, die über eine solche geringfügige Einwirkung hinausgehen, ist nicht nach dem subjektiven Empfinden des Geschädigten zu bestimmen, sondern am Maßstab eines objektiven Betrachters (BGH NStZ 2009, 289).

Ebenso weise ich auf Nr. 243 Abs. 3 RiStBV hin.

 

Rz. 11

 

Praxistipp: Gebühren

Wenn das Verfahren eingestellt wird, hat der Verteidiger durch diese kurze und (noch) abstrakte Einlassung an der Einstellung mitgewirkt, so dass die Gebühr nach Nr. 4141 VV-RVG angefallen ist. Umstritten ist nämlich nach wie vor, ob das bloße Anraten zum Schweigen die Gebühr bereits auslöst. Die wohl überwiegende und zutreffende Meinung geht zwar davon aus, dass der Rat zum gezielten Schweigen ausreichend ist.[7] Begründet wird dies damit, dass für die Mitursächlichkeit jeder Rat des Verteidigers ausreicht. Richtig ist, dass dies dann selbstverständlich auch für den Rat zum Schweigen gelten muss. Allerdings wird das nicht einheitlich so gesehen. Dagegen wird argumentiert, die Einstellung sei in diesen Fällen nicht aufgrund der Mitwirkung des Verteidigers, sondern aufgrund der Entscheidung der jeweiligen Ermittlungsbehörde, keine weiteren Ermittlungen anzustellen, erfolgt.[8] Das ist falsch, denn würde dieses Argument ziehen, würde die Zusatzgebühr nach Nr. 4141 VV RVG nie anfallen. Um Streitigkeiten mit den Rechtsschutzversicherern aus dem Weg zu gehen, könnte in geeigneten Fällen die obige kurze Einlassung bereits mit dem Antrag auf Akteneinsicht gewählt werden.

[6] NK-GVR/Kastenbauer, 2. Aufl., § 230 StGB Rn 2. Dort ist auch sehr schön die Diskussion um die Sinnhaftigkeit der fahrlässigen Körperverletzung im Straßenverkehr zusammengefasst.

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