Rz. 82

Demjenigen, der selbst die Freiheit des Straßenverkehrs in Anspruch nimmt und seine Sicherheit gewährleistet wissen will, können in den Grenzen der Grundrechte und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch Mitwirkungspflichten auferlegt werden, die gerade der Gewährleistung dieser Freiheit und Sicherheit für alle zu dienen bestimmt und geeignet sind.[208]

Die Behörde kann sich aber bei bestehender Mitwirkungsverpflichtung nicht zurücklehnen. Auch dann, wenn der Fahrzeughalter seiner Mitwirkungsobliegenheit hinsichtlich der Fahrerfeststellung nicht nachkommt, muss die Verfolgungsbehörde naheliegende und mit wenig Aufwand realisierbare Ermittlungen zur Fahrerfeststellung durchführen und dokumentieren.[209]

 

Rz. 83

Macht der Halter eines Fahrzeugs, mit dem ein (wesentlicher) Verkehrsverstoß begangen worden ist, im Ordnungswidrigkeitenverfahren von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch, so muss er dennoch mit einer Fahrtenbuchauflage rechnen. Insofern besteht kein "doppeltes Recht" einerseits im Ordnungswidrigkeitenverfahren zugunsten eines Dritten oder aus eigennützigen Gründen, die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage "verschont" zu bleiben.[210] Das Recht, sich nicht selbst bezichtigen zu müssen, bleibt dabei gewahrt.[211]

 

Rz. 84

Der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage steht also nicht entgegen, wenn sich der Fahrzeughalter auf ein Aussage- und Zeugnisverweigerungsrecht beruft. Dies gilt nicht nur für solche Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte, die ihren Grund in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis des Mitwirkungspflichtigen zum Fahrzeugführer haben. Es gilt auch für berufsbezogene Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechte wie die anwaltliche Schweigepflicht.[212]

 

Rz. 85

Der Halter, der an der Klärung der Verkehrszuwiderhandlung nicht mitgewirkt hat, kann einer Fahrtenbuchauflage regelmäßig nicht entgegenhalten, die Behörde hätte im Ordnungswidrigkeitenverfahren weitere rechtsbeeinträchtigende Aufklärungsschritte unternehmen müssen.[213] Das Unterbleiben einer im Ordnungswidrigkeitenverfahren vom Rechtsanwalt erbetenen Übersendung der Ermittlungsakten zur Einsicht rechtfertigt nicht die Annahme, die Behörde habe nicht alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Identifizierung des Fahrers ergriffen, wenn dem Halter des Fahrzeugs jedenfalls ein zur Identifizierung des Fahrers hinreichend geeignetes Geschwindigkeitsmessfoto zugeleitet worden ist.[214]

 

Rz. 86

Mit Blick auf die vom Fahrzeughalter zu fordernde Mitwirkung bei der Ermittlung des verantwortlichen Fahrers kommt dem Einwand, die schlechte Bildqualität des Messfotos mache es ihm unmöglich, die Person des Fahrers zu identifizieren, keine rechtliche Relevanz zu.[215] Hier werden die unterschiedlichen Zielrichtungen und Verfahrensregeln von Ordnungswidrigkeitenrecht einerseits und verwaltungsrechtlicher Fahrtenbuchanordnung andererseits deutlich. Ist aufgrund der schlechten Bildqualität eine zweifelsfreie Personenidentifizierung nicht möglich, so sind aus diesem Grund weitere angemessene und zumutbare Ermittlungen durchzuführen, bei denen es im Rahmen des § 31a StVZO dann erst recht auf eine kooperative Mitwirkung des Halters als der für das Fahrzeug verantwortlichen Person ankommt.[216]

 

Rz. 87

Bereits die rechtzeitig erfolgte Zusendung des Anhörbogens im Ordnungswidrigkeitenverfahren bewirkt den Anstoß des Erinnerungsvermögens des betroffenen Halters. Der Einsichtnahme in Ermittlungsakten bedarf es zu diesem Zweck nicht. Eine verzögerte Aktenübersendung im Ordnungswidrigkeitenverfahren an den Bevollmächtigten des Fahrzeughalters führt nicht notwendig zur Annahme, die Bußgeldbehörde habe bei der Feststellung des Fahrzeugführers unzulänglich ermittelt.[217]

 

Rz. 88

An einer hinreichenden Mitwirkung fehlt es bereits dann, wenn der Halter des Fahrzeugs den Anhörbogen der Ordnungswidrigkeitenbehörde nicht zurücksendet und/oder weitere Angaben zum Personenkreis des Fahrzeugbenutzers nicht macht. Damit hat es dann regelmäßig sein Bewenden.[218] Sendet eine Firma als Halterin des Geschäftsfahrzeugs, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde, den ihr als Zeugin übersandten Fragebogen nicht an die Ermittlungsbehörde zurück, so wirkt sie im Bußgeldverfahren nicht wie erforderlich an der Fahrerermittlung mit. Daher braucht die Ermittlungsbehörde in der Regel keine weiteren eigenen Schritte zur Fahrerermittlung zu unternehmen.[219]

 

Rz. 89

Der Halter kann dem jedenfalls dann nicht mit Erfolg entgegenhalten, er habe den Anhörungsbogen nicht erhalten, wenn die Absendung dieses Schreibens durch die Behörde hinreichend belegt ist. Insoweit dürfte ausreichen, wenn die Übersendung anhand eines Datensatzauszugs nachvollzogen werden kann[220] und der in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen "Datenbestandsauszug" einen ausdrücklichen Erledigungsvermerk bzgl. des Anhörungsbogens enthält.[221]

 

Rz. 90

Fehlende Bereitschaft kann regelmäßig erst dann angenommen w...

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