I. Definition der Zielsetzungen der Eigentümerfamilie
Rz. 5
Um eine langfristige und erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Eigentümerfamilie und Fremdmanagement zu ermöglichen, ist es erforderlich, die Erwartungen, die die Eigentümerfamilie als Arbeitgeber an ihr Management stellt, klar zu formulieren. Dies setzt voraus, dass sich die Familie selbst über diese Erwartungen und ihre langfristigen Ziele für das Unternehmen im Klaren ist. Der Weg zu dieser Klarheit kann lang und steinig sein; mitunter erfordert er das helfende Eingreifen außenstehender Dritter; z.B. im Rahmen einer Mediation (vgl. § 21) oder der Erarbeitung einer Familienstrategie (vgl. § 22).
Rz. 6
Der Inhalt der Zielsetzungen der Eigentümerfamilie kann äußerst vielfältig sein und ist selbstverständlich abhängig vom konkreten Einzelfall. Trotz aller Unterschiedlichkeit zeichnen sich Familienunternehmen aber oftmals dadurch aus, dass der Erhalt des Unternehmens und die Fortführung der Familientradition einen hohen Stellenwert einnehmen. Das Streben nach einer möglichst hohen Rendite auf das eingesetzte Kapital und auch die Steigerung des – nur im Verkaufsfall realisierbaren – Unternehmenswertes treten dem gegenüber oft in den Hintergrund. Auch auf kurzfristige Gewinnchancen kann die Familie daher mitunter ohne Weiteres verzichten, um stattdessen nachhaltig eine langfristig orientierte Familien- und Unternehmensstrategie zu verfolgen.
Rz. 7
Der Wunsch, das Unternehmen als Familienunternehmen langfristig zu erhalten, geht oft mit dem Willen einher, sich auch gegenüber den Mitarbeitern, deren Familien, vielleicht sogar einer ganzen Region loyal zu verhalten. Das Unternehmen ist in der Region groß geworden, die Familie mit Land und Leuten eng verbunden. Vor diesem Hintergrund hat auch die Sicherung von Arbeitsplätzen oftmals einen höheren Stellenwert als die Optimierung der Ertragslage sowie der Ausschüttungs- bzw. Entnahmemöglichkeiten.
Rz. 8
Je mehr die individuellen Ziele der Eigentümerfamilie von den klassischen Zielen börsennotierter Publikumsgesellschaften (insbesondere Optimierung des Shareholder Value und/oder des Unternehmensgewinns) abweichen, umso weniger eignen sich die klassischen Anreizsysteme (gewinnabhängige Tantiemen bzw. Boni), um einen Gleichlauf der Interessen von Familie und Management zu unterstützen.
II. Zielsetzung des Managements
Rz. 9
Abgesehen davon, dass nicht am Unternehmen beteiligte Manager – wie grundsätzlich alle abhängig Beschäftigten – ein Interesse an der Erhaltung ihres Arbeitsplatzes haben, sind die Vorstellungen von der Unternehmensführung oft von rein kaufmännischen Gesichtspunkten geprägt. Gerade Manager, die sich ihre Sporen in großen Publikumsgesellschaften erworben haben, sind es gewohnt, in erster Linie ökonomisch sinnvoll zu handeln, um auf diese Weise den Gewinn und schlussendlich auch den Shareholder Value zu steigern. Das bedeutet zwar nicht, dass andere Kategorien, beispielsweise die Konsequenzen für die Arbeitnehmer oder mögliche Auswirkungen beabsichtigter Maßnahmen für den Standort, keine Rolle spielen oder nicht berücksichtigt werden. Vorrang haben aber im Zweifel die ökonomischen Faktoren.
Rz. 10
Darüber hinaus partizipiert das am Unternehmen nicht beteiligte Fremdmanagement nicht an einer langfristigen Steigerung des Unternehmenswertes. Selbst die Sicherung des dauerhaften Fortbestands des Unternehmens muss nicht zwingend mit den wirtschaftlichen Zielsetzungen des Managements kompatibel sein. Denn für die wirtschaftliche Absicherung des angestellten Managers spielt insbesondere seine laufende Vergütung aus dem Anstellungsverhältnis die entscheidende Rolle. Enthält diese erfolgsabhängige Komponenten, muss der Manager in seinem ureigensten Interesse bestrebt sein, diejenigen Faktoren, die bestimmend für seine variablen Vergütungskomponenten sind, zu optimieren.
Rz. 11
Es soll an dieser Stelle nicht der Eindruck erweckt werden, dass nicht am Unternehmen beteiligte Manager automatisch den eigenen Profit an die erste Stelle setzen würden. Das ist sicherlich nicht der Fall. Ebenso wenig verspricht es Erfolg, einen Manager allein durch entsprechend strukturierte finanzielle Anreize auf die Zielvorstellungen der Eigentümerfamilie einschwören zu wollen. Loyalität und Integrität können hierdurch niemals ersetzt werden; sie sind grundsätzlich auch nicht käuflich. Nichtsdestotrotz erwarten die Unternehmenseigner zu Recht von ihren angestellten Managern, dass diese ihr Wissen und Können konsequent zum Wohle des Unternehmens einsetzen. Von jemandem, der dieses von ihm erwartete Können tatsächlich mitbringt, zu erwarten, dass er seine eigenen wirtschaftlichen Interessen dabei vollkommen außer Acht lässt, ist aber gleichermaßen unfair wie lebensfremd.
III. Herstellung eines Gleichlaufs der Interessen von Eigentümerfamilie und Management
Rz. 12
Der erste wesentliche Schritt zur Herstellung eines Gleichlaufs der Interessen der Beteiligten besteht darin, dass die Eigentümerfamilie ihre Zielsetzungen klar formuliert und ihre damit verbundenen Erwartungen gegenüber den Managern ebenso...