Rz. 60
Art. 25 EuErbVO regelt die Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung von Erbverträgen. Dabei unterscheidet Art. 25 EuErbVO zwischen einseitigen (Abs. 1) und mehrseitigen (Abs. 2) Erbverträgen. Das nach Art. 25 EuErbVO bestimmte Recht ist unwandelbar.
Rz. 61
Der Begriff des Erbvertrages ist in Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO legal definiert:
Zitat
eine Vereinbarung, einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente, die mit oder ohne Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass oder künftigen Nachlässen einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht;
Der Begriff ist damit weiter als nach deutschem Rechtsverständnis und umfasst auch Erb- und Pflichtteilsverzichte wie wohl auch Schenkungen von Todes wegen.
Fraglich ist auch, ob gemeinschaftliche Testamente mit Bindungswirkung nach den §§ 2265 ff. BGB hierunter fallen. Die derzeit wohl h.M. bejaht dies mit der Folge, dass gemeinschaftliche Testamente mit Bindungswirkung unter den Anwendungsbereich des Art. 25 EuErbVO fallen, unabhängig davon, ob diese in einer Urkunde zusammengefasst sind oder nicht. Existiert dagegen keine Bindungswirkung, fallen diese gemeinschaftlichen Testamente in den Anwendungsbereich des Art. 24 EuErbVO.
Rz. 62
Art. 25 EuErbVO Erbverträge
(1) Die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen eines Erbvertrags, der den Nachlass einer einzigen Person betrifft, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, unterliegen dem Recht, das nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden wäre, wenn diese Person zu dem Zeitpunkt verstorben wäre, in dem der Erbvertrag geschlossen wurde.
(2) Ein Erbvertrag, der den Nachlass mehrerer Personen betrifft, ist nur zulässig, wenn er nach jedem der Rechte zulässig ist, die nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge der einzelnen beteiligten Personen anzuwenden wären, wenn sie zu dem Zeitpunkt verstorben wären, in dem der Erbvertrag geschlossen wurde.
Die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen eines Erbvertrags, der nach Unterabsatz 1 zulässig ist, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, unterliegen demjenigen unter den in Unterabsatz 1 genannten Rechten, zu dem er die engste Verbindung hat.
(3) Ungeachtet der Absätze 1 und 2 können die Parteien für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen ihres Erbvertrags, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, das Recht wählen, das die Person oder eine der Personen, deren Nachlass betroffen ist, nach Artikel 22 unter den darin genannten Bedingungen hätte wählen können.
Rz. 63
Bei einseitigen, also nur den Nachlass einer Person betreffenden Erbverträgen ist nach Art. 25 Abs. 1 EuErbVO das hypothetische Erbstatut dieser Person zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich, so dass die Art. 21 Abs. 1, 2, 22 EuErbVO gelten.
Bei mehrseitigen, also den Nachlass mehrerer Personen betreffenden Erbverträgen richtet sich die Zulässigkeit gemäß Art. 25 Abs. 2 S. 1 EuErbVO nach den hypothetischen Erbstatuten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eines jeden Beteiligten. Ist der Erbvertrag nur nach einer Rechtsordnung unzulässig, so ist der Erbvertrag als Ganzes unwirksam.
Die Fragen nach der materiellen Wirksamkeit und Bindungswirkung wie auch die Voraussetzungen der Auflösung richten sich dagegen nach Art. 25 Abs. 2 S. 2 EuErbVO nach der einen Rechtsordnung, zu der der Erbvertrag die engste Verbindung hat.
Rz. 64
Art. 25 Abs. 3 EuErbVO eröffnet eine Rechtswahlmöglichkeit unter den von Art. 22 EuErbVO genannten Bedingungen. Diese Bestimmung gilt dabei gleichermaßen für einseitige wie für mehrseitige Erbverträge. Die Rechtswahl kann nur gemeinsam getroffen werden, wie sich aus dem Wortlaut ("können die Parteien … wählen") ergibt.
OLG Schleswig, Beschl. v. 25.4.2016 – 3 Wx 122/15: Erbfolge nach in Deutschland lebendem Polen aufgrund konkludenter Rechtswahl in gemeinschaftlichem Testament:
Zitat
Ein in Deutschland lebender polnischer Staatsangehöriger kann mit seiner deutschen Ehefrau formell wirksam ein Ehegattentestament errichten. Die kollisionsrechtliche Wirksamkeit ergibt sich trotz des Umstands, dass das polnische ZGB ein gemeinschaftliches Testament – aus im Ergebnis formellen Gründen – verbietet, aus Art. 26 Abs. 1 Ziff. 2 u. 3 EGBGB a.F. bzw. nach polnischem Kollisionsrecht aus Art. 65, 66 IPRG mit Art. 1 lit. a, c und d HTÜ.
Rz. 65
Ein isolierter Widerruf/eine isolierte Änderung der gemeinsamen Rechtswahl ist wie bei Art. 24 Abs. 2 EuErbVO wohl nicht möglich.
Rz. 66
Wurde der Erbvertrag bereits vor dem 17.8.2015 errichtet, ist die Übergangsvorschrift des Art. 83 Abs. 3 EuErbVO zu beachten.