Rz. 25
Unter einer Vorfrage versteht man nach der h.M. jede Frage nach dem Bestehen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses oder einer Rechtslage, die im Tatbestand einer in- bzw. ausländischen Kollisions- oder Sachnorm vorausgesetzt wird.
Auch im Erbrecht kommt eine Vielzahl von Vorfragen in Betracht, die nach h.M. selbstständig anzuknüpfen sind:
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Verwandtschaft, |
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Bestehen einer Ehe, |
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maßgeblicher Güterstand, |
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Frage der Ehelichkeit oder Nichtehelichkeit eines Kindes, |
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Todesvermutung, Art. 9 EGBGB, |
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Testierfähigkeit, |
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Rechtsfähigkeit des/der Erben, |
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Zugehörigkeit eines Gegenstandes zum Nachlass, |
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sachenrechtlicher Eigentumsübergang, |
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Wirksamkeit der Adoption. |
Rz. 26
Sehr umstritten ist die Frage, nach welchem Recht die Erbberechtigung des Adoptivkindes zu entscheiden ist. Das Kammergericht hat diesbezüglich das Erbstatut für maßgeblich erachtet; hingegen stellt der BGH auf das Adoptionsstatut ab.
Rz. 27
Beispiel (nach BGHZ 43, 213)
Der griechische Staatsangehörige Stavros hatte mit der griechischen Staatsangehörigen Nina die Ehe nach griechisch orthodoxen Ritus vor dem Popen in Köln geschlossen, eine standesamtliche Trauung fand nicht statt und wurde auch nicht nachgeholt. Der Mann stirbt ohne Hinterlassung von Nachkömmlingen an dem letzten gemeinsamen Wohnort in Griechenland. Wer wurde zu welcher Quote Erbe?
Art. 25 Abs. 1 EGBGB a.F. verwies in das griechische IPR, das die Verweisung auch annahm. Nach griechischem Erbrecht "erbt die Ehefrau allein". Es stellt sich hier die Vorfrage, ob eine wirksame Ehe vorliegt.
Rz. 28
Umstritten ist nun, ob Vorfragen selbstständig, d.h. nach den Kollisionsnormen der lex fori (= das Recht des mit der Sache befassten Gerichts), oder unselbstständig, d.h. nach dem IPR der Hauptfrage, anzuknüpfen sind:
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Die h.M. bevorzugte vor dem Hintergrund einer "inneren Entscheidungsharmonie" grundsätzlich die selbstständige Anknüpfung. So ist nach Ansicht des BGH die Vorfrage nach der Gültigkeit einer Ehe im deutschen internationalen Erbrecht grundsätzlich selbstständig anzuknüpfen. Das Scheidungsurteil eines deutschen Gerichts ist insoweit stets zu beachten. |
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Die Gegenansicht verweist auf die internationale Entscheidungsharmonie und knüpft unselbstständig an. |
Bei staatsvertraglichem Kollisionsrecht konzediert auch die h.M. die unselbstständige Anknüpfung.
Rz. 29
Im obigen Beispielsfall führt die selbstständige Anknüpfung zur Nichtehe über Art. 13 Abs. 3 S. 1 EGBGB a.F. Würde man unselbstständig anknüpfen, käme man zum griechischen Recht und damit zu einer wirksamen Ehe. Man spricht in einer solchen Situation von einer "hinkenden Ehe". Um diese missliche Lage zu lösen, nimmt eine vermittelnde Meinung eine Abwägung dahin gehend vor, dass geprüft wird, welches Interesse überwiegt.
Übertragen auf unseren Beispielsfall hieße dies, dass sich die Vorfrage des Bestehens der Ehe nach griechischem Recht richtet, vor allem weil die Ehegatten zuletzt in Griechenland lebten.