aa) Allgemeines
Rz. 54
Das Errichtungsstatut behandelt die Frage nach der kollisionsrechtlichen Bestimmung der materiellen Wirksamkeit von Verfügungen von Todes wegen. Die Verfügung von Todes wegen ist in Art. 3 Abs. 1 lit. d EuErbVO legal definiert als:
Zitat
ein Testament, ein gemeinschaftliches Testament oder ein Erbvertrag;
Die materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen sind in den Art. 24 ff. EuErbVO geregelt.
bb) Verfügungen von Todes wegen außer Erbverträgen, Art. 24 EuErbVO
Rz. 55
Die Zulässigkeit und materielle Wirksamkeit von Verfügungen von Todes wegen mit Ausnahme von Erbverträgen regelt Art. 24 EuErbVO.
Art. 24 EuErbVO Verfügungen von Todes wegen außer Erbverträgen
(1) Die Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen mit Ausnahme eines Erbvertrags unterliegen dem Recht, das nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden wäre, wenn die Person, die die Verfügung errichtet hat, zu diesem Zeitpunkt verstorben wäre.
(2) Ungeachtet des Absatzes 1 kann eine Person für die Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit ihrer Verfügung von Todes wegen das Recht wählen, das sie nach Artikel 22 unter den darin genannten Bedingungen hätte wählen können.
(3) Absatz 1 gilt für die Änderung oder den Widerruf einer Verfügung von Todes wegen mit Ausnahme eines Erbvertrags entsprechend. Bei Rechtswahl nach Absatz 2 unterliegt die Änderung oder der Widerruf dem gewählten Recht.
Rz. 56
Art. 24 Abs. 1 EuErbVO knüpft an das hypothetische Erbstatut des die Verfügung von Todes wegen errichtenden Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung an. Demgemäß ergibt sich unter Berücksichtigung der Art. 21, 22 EuErbVO als maßgebliches Recht grundsätzlich das des letzten gewöhnlichen Aufenthalts. Hiervon kann gemäß Art. 24 Abs. 2 EuErbVO mittels Rechtswahl abgewichen werden, wobei sich die Zulässigkeit und die Voraussetzungen einer wirksamen Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO richten. Eine Teilrechtswahl ist nach Art. 24 Abs. 2 EuErbVO ausgeschlossen.
Rz. 57
Ein isolierter Widerruf/eine isolierte Änderung des Errichtungsstatuts ist nicht zulässig, so dass das Errichtungsstatut unwandelbar ist und abschließend über die Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit der Verfügung von Todes wegen bestimmt. Dagegen ist die Änderung oder der Widerruf der ursprünglichen Verfügung von Todes wegen nach Art. 24 Abs. 3 EuErbVO möglich und unterliegt als neue Verfügung von Todes wegen der nach Maßgabe der Abs. 1 und 2 bestimmten Rechtsordnung.
Rz. 58
Für Verfügungen von Todes wegen, die vor dem 17.8.2015 errichtet wurden, ist die Übergangsvorschrift des Art. 83 Abs. 3 EuErbVO zu beachten.
Rz. 59
Muster 24.3: Isolierte Rechtswahl nur bzgl. der Rechtswirksamkeit einer letztwilligen Verfügung
Muster 24.3: Isolierte Rechtswahl nur bzgl. der Rechtswirksamkeit einer letztwilligen Verfügung
Muster: Isolierte Rechtswahl nur bzgl. der Rechtswirksamkeit einer letztwilligen Verfügung
Ich bin ausschließlich deutscher Staatsangehöriger und habe meinen derzeitigen gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich. Für Fragen der Rechtswirksamkeit dieses Testaments wähle ich deutsches Recht; eine weitergehende Rechtswahl im Hinblick auf die übrige Rechtsnachfolge von Todes wegen geht mit dieser Erklärung nicht einher.
cc) Erbverträge, Art. 25 EuErbVO
Rz. 60
Art. 25 EuErbVO regelt die Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung von Erbverträgen. Dabei unterscheidet Art. 25 EuErbVO zwischen einseitigen (Abs. 1) und mehrseitigen (Abs. 2) Erbverträgen. Das nach Art. 25 EuErbVO bestimmte Recht ist unwandelbar.
Rz. 61
Der Begriff des Erbvertrages ist in Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO legal definiert:
Zitat
eine Vereinbarung, einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente, die mit oder ohne Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass oder künftigen Nachlässen einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht;
Der Begriff ist damit weiter als nach deutschem Rechtsverständnis und umfasst auch Erb- und Pflichtteilsverzichte wie wohl auch Schenkungen von Todes wegen.
Fraglich ist auch, ob gemeinschaftliche Testamente mit Bindungswirkung nach den §§ 2265 ff. BGB hierunter fallen. Die derzeit wohl h.M. bejaht dies mit der Folge, dass gemeinschaftliche Testamente mit Bindungswirkung unter den Anwendungsbereich des Art. 25 EuErbVO fallen, unabhängig davon, ob diese in einer Urkunde zusammengefasst sind oder nicht. Existiert dagegen keine Bindungswirkung, fallen diese gemeinschaftlichen Testamente in den Anwendungsbereich des Art. 24 EuErbVO.
Rz. 62
Art. 25 EuErbVO Erbverträge
(1) Die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen eines Erbvertrags, der den Nachlass einer einzigen Person betrifft, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, unterliegen dem Recht, das nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge von Todes weg...