1. Gerichtliche Prüfung
Rz. 97
Führt die Anwendung der EuErbVO bzw. des Art. 25 EGBGB a.F. zu einer Verweisung in eine fremde Rechtsordnung, so muss das ausländische Recht (das jeweilige IPR und ggf. das Sachrecht) ermittelt werden.
Im FamFG-Verfahren, also insbesondere im Erbscheinsverfahren, gebietet § 26 FamFG (Amtsermittlungsgrundsatz) dem Gericht die Ermittlung des fremden Rechts. Kommt in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht, steht die Art und Weise der Ermittlung seines Inhalts im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.
2. Muster: Anregung auf Einholung eines Rechtsgutachtens im Erbscheinsverfahren
Rz. 98
Muster 24.5: Anregung auf Einholung eines Rechtsgutachtens im Erbscheinsverfahren
Muster 24.5: Anregung auf Einholung eines Rechtsgutachtens im Erbscheinsverfahren
An das
Amtsgericht Traunstein
– Nachlassgericht –
Herzog-Otto-Str. 1
83278 Traunstein
Nachlasssache des am 17.12.2022 in Traunstein verstorbenen Herbert Geier
Antrag des Beteiligten Hubert Geier auf Erteilung eines Erbscheins
Namens und im Auftrag meines Mandanten, des Beteiligten Willi Adler, rege ich die Einholung eines Sachverständigengutachtens des Max-Planck-Instituts für Internationales Recht der Universität Hamburg bzw. des Instituts für Internationales Recht der Universität München an.
Der Erblasser hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Namibia. Das Gutachten soll klären, ob dem Beteiligten als nichtehelichem Kind des Erblassers ein Erbteil bzw. ein Erbersatzanspruch zusteht.
(Rechtsanwalt)
Rz. 99
Im Zivilprozess darf dazu das Gericht gemäß § 293 ZPO Sachverständigengutachten in Auftrag geben. Erstellt werden diese in der Regel von Universitätsinstituten für Internationales Recht.
Institute, die Gutachten über internationales und ausländisches Privatrecht erteilen, sind beispielsweise:
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Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg |
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Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg |
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Institut für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg |
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Institut für internationales und ausländisches Privatrecht der Universität zu Köln |
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Institut für ausländisches und europäisches Privat- und Verfahrensrecht der Universität Leipzig |
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Institut für Internationales Recht der Ludwig-Maximilians-Universität München |
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Institut für Ostrecht München e.V. in Regensburg |
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Institut für internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Universität Osnabrück (Unterabteilung des European Legal Studies Institute) |
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Institut für internationales und ausländisches Recht der Universität Passau |
Links zum IPR:
▪ |
www.successions-europe.eu |
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www.dnoti.de. |
Was die Beratungspraxis anbelangt, ist es ggf. ratsam, einen Rechtsanwalt oder Notar des betreffenden Staates zu konsultieren, um eine umfassende Regelung treffen zu können.
Rz. 100
Die Art und Weise der Ermittlung des ausländischen Rechts steht zwar grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Es müssen aber alle erreichbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft werden. Ein Gutachten eines wissenschaftlichen Instituts kann aber nicht immer ausreichend sein. Nach § 293 ZPO ist das Gericht nicht nur befugt, sondern verpflichtet, das ausländische Recht zu ermitteln und von den ihm zugänglichen Erkenntnisquellen Gebrauch zu machen. Der Richter hat dabei nicht nur auf die positiven Rechtsnormen abzuheben, sondern auch zu berücksichtigen, wie diese aufgrund der Rechtslehre und der Rechtsprechung in der Wirklichkeit gestaltet sind.
3. Muster: Antrag auf Anhörung eines ausländischen Gutachters
Rz. 101
Sachverhalt nach BGH v. 21.1.1991 – II ZR 49/90, NJW-RR 1991, 1211:
Muster 24.6: Antrag auf Anhörung eines ausländischen Gutachters
Muster 24.6: Antrag auf Anhörung eines ausländischen Gutachters
An das
Oberlandesgericht
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In Sachen Müller ./. Meier
Az. 5 U 2745/22
Für den Kläger trage ich noch Folgendes vor:
Es wird nochmals beantragt, die Sachverständige Frau Prof. Dr. Marquez zum Inhalt des venezolanischen Rechts zu vernehmen.
Allein das Gutachten des Max-Planck-Instituts ist nicht ausreichend, um das venezolanische Recht zu ermitteln. Das Gericht genügt mit der im Regelfall zur Ermittlung ausländischen Rechts hinreichenden Einholung des Gutachtens eines mit dem fremden Recht vertrauten wissenschaftlichen Instituts dann nicht seiner aus § 293 ZPO folgenden Erforschungspflicht, wenn es entscheidend auf die ausländische Rechtspraxis ankommt und der Gutachter nicht über spezielle Kenntnisse derselben verfügt, vielmehr allein auf die Auswertung der ihm zugänglichen Literatur angewiesen ist. Auf das Gutachten des Max-Planck-Instituts kann es sich bei der Klärung dieser Frage nicht stützen. Der Verfasser desselben hat nämlich bei seiner Anhörung selbst angegeben, erstmals einen Fall aus dem venezolanischen Recht begutachtet zu haben und über keinerlei spezielle Kenntnisse dieses Rechts und vor allem der dort bestehenden Re...