Julian Höppner, Dr. iur. Lina Böcker
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 17
Der Auftragnehmer entwickelt für den Auftraggeber eine bestimmte Software. Die Pflege der Software und die Fehlerbeseitigung sollen anschließend grundsätzlich durch den Auftragnehmer durchgeführt werden. Die Parteien wollen jedoch auch Vorsorge für den Fall treffen, dass Pflege und Fehlerbeseitigung im weiteren Zeitverlauf nicht mehr durch den Auftragnehmer durchgeführt werden können (z.B. wegen Insolvenz) oder aus sonstigen Gründen von diesem nicht mehr erbracht werden. Da die Fehlerbeseitigung und die Pflege vielfach einen Zugang zum Quellcode voraussetzen, wird für diese Fälle zwischen den Parteien eine Hinterlegung des Quellcodes vereinbart sowie die Voraussetzungen, unter denen ein Zugriff des Auftraggebers auf den hinterlegten Quellcode möglich sein soll. Der Auftragnehmer soll damit in die Lage versetzt werden, selbst Fehler zu beseitigen und die Software weiterhin zu pflegen, um so die Nutzung der erworbenen Software über den gesamten Lebenszyklus sicherzustellen.
2. Rechtliche Grundlagen
a) Zugang zum Quellcode
Rz. 18
Fehlen ausdrückliche Vereinbarungen, hat der Erwerber eines Computerprogramms vielfach keinen Anspruch auf eine Herausgabe des (korrespondierenden, kommentierten) Quellcodes und – soweit überhaupt noch separat vorliegend – der dazugehörigen Dokumentation. Anderes kann sich z.B. in Fällen ergeben, in denen der Besteller die Fehlerbeseitigung und Pflege einer Individualsoftware selbst vornehmen soll und zur Weitervermarktung der Software befugt ist.
Der fehlende Zugang zum Quellcode trägt berechtigten Interessen des Entwicklers am Schutz seines im Quellcode verkörperten, vermögenswerten Know-hows Rechnung. Für den Anwender können sich daraus jedoch besondere Gefahren im Hinblick auf die langfristige Nutzung der Software ergeben, da Pflege und Weiterentwicklung der Software dann nicht mehr sichergestellt sind, wenn der Hersteller diese nicht mehr durchführen kann oder will.
b) Insolvenzfestigkeit der Hinterlegungsabrede
Rz. 19
Das zentrale Problem bei der Gestaltung von Hinterlegungsvereinbarungen ist die Frage der Insolvenzfestigkeit solcher Abreden, obwohl gerade die Herstellerinsolvenz vielfach wesentlicher Antriebsfaktor für den Abschluss einer Hinterlegungsvereinbarung ist. Um Probleme mit der Insolvenzfestigkeit von vornherein auszuschließen, sollte jeweils überlegt werden, ob Herausgabefälle nicht auch an Krisensymptome geknüpft werden können, die der Insolvenz regelmäßig vorgelagert sind, etwa das Ausbleiben von Updates oder Bugfixes über einen bestimmten Zeitraum. Allerdings können Hinterlegungsvereinbarungen nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BGH unter Beachtung bestimmter Beschränkungen gerade auch ausdrücklich für den Fall der Insolvenz wirksam gestaltet werden. Eine insolvenzrechtlich vergleichsweise sichere, allerdings nicht für alle Fälle geeignete Lösung bieten Gestaltungen, bei denen der Quellcode dem Auftraggeber unbedingt übergeben wird, Nutzungsrechte eingeräumt werden und sich der Auftraggeber verpflichtet, die Software zu hinterlegen und sich nur unter bestimmten Voraussetzungen herausgeben zu lassen. Jenseits dessen kann der Insolvenzverwalter aber auch einen vor Insolvenzeröffnung – wenngleich aufschiebend bedingt – erfolgten Rechtsübergang nicht mehr dadurch verhindern, dass er wegen der Insolvenz die Nichterfüllung des zugrunde liegenden Vertrags wählt. Insolvenzfest ist daher auch die Einräumung eines dinglichen Nutzungsrechts, das gegen ein zusätzliches Entgelt aufschiebend bedingt für den Fall der Kündigung des Vertragsverhältnisses übereignet wird. Das dingliche Nutzungsrecht kann auch noch dann wirksam auf den Auftraggeber übergehen, wenn die Kündigung erst nach Insolvenzeröffnung ausgesprochen wird und die Bedingung daher auch erst nach dem Insolvenzereignis eintritt.
Die Insolvenzfestigkeit von Lizenzen war Anliegen eines Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 22.8.2007 und eines weiteren Vorstoßes im Jahr 2012, der aufgrund umfassender Kritik in der Literatur derzeit offenbar nicht weiterverfolgt wird. § 108a InsO-Entwurf sah vor, das Wahlrecht des Insolvenzverwalters gem. § 103 Abs. 1 InsO in der Insolvenz des Lizenzgebers auszuschließen. Lizenzverträge hätten danach auch nach Insolvenzeröffnung mit Wirkung für die Masse fortbestanden. Dem Lizenznehmer hätte in jedem Fall weiterhin das Nutzungsrecht zugestanden, ggf. gegen Zahlung einer angepassten Lizenzgebühr. Nachdem der Gesetzesentwurf nicht bis zum Ende der 16. Legislaturperiode umgesetzt wurde und nicht abzusehen ist, ob die aktuelle Regierung den Vorschlag wieder aufgreifen wird, sind das Schicksal der Lizenz in der Insolvenz des Lizenzgebers und entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten erneut umstritten. Nach Ansicht von Teilen der Literatur ermöglicht die En...