Dr. iur. Wolfram Viefhues
1. Anwaltliche Sorgfalt bei Überprüfung der Rechtsmittelfrist
Rz. 32
Der Anwalt muss die Einhaltung der Fristen sicherstellen. Beruht die verspätete Einlegung der Beschwerde auf einem Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten, ist dies dem von ihm vertretenen Verfahrensbeteiligten gemäß § 11 S. 5 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.
Rz. 33
Ein zur Einlegung des Rechtsmittels beauftragter Rechtsanwalt muss eigenverantwortlich das für den Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist maßgebende Zustellungsdatum feststellen.
Rz. 34
OLG Bremen, Beschl. v. 13.2015 – 5 UF 72/15
Zitat
Ein zur Einlegung des Rechtsmittels beauftragter Rechtsanwalt muss eigenverantwortlich das für den Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist maßgebende Zustellungsdatum feststellen.
Dabei darf er aus dem Datum des Eingangsstempels, das sich auf der vom erstinstanzlich beauftragten Rechtsanwalt übermittelten Ausfertigung der erstinstanzlichen Entscheidung befindet, nicht ohne weiteres auf den Tag der Zustellung schließen.
Hat ein Beteiligter mehrere anwaltliche Vertreter, so hindert das Verschulden auch nur eines von ihnen die Wiedereinsetzung. Werden mehrere Anwälte für verschiedene Instanzen beauftragt, so überschneiden sich ihre Vertreterpflichten unter Umständen: Die Überwachung der Rechtsmittelfrist, insbesondere die Feststellung des Zustellungszeitpunkts der anzufechtenden Entscheidung, ist auch noch Pflicht des Verfahrensbevollmächtigten für die Vorinstanz (BGH v. 22.11.1990 – I ZB 13/09, NJW-RR 1991, 828 f.; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 233 Rn 23 – Stichwort: "Mehrere Anwälte", m.w.N.). Der erstinstanzliche Verfahrensbevollmächtigte muss dem Rechtsmittelanwalt die für die fristgemäße Einlegung und Begründung des Rechtsmittels erforderlichen Daten in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise mitteilen (BGH v. 4.4.2000 – VI ZB 3/00, NJW 2000, 3071 f.; Zöller/Greger, a.a.O., m.w.N.). Neben dem Anwalt der Vorinstanz hat sich aber auch der Rechtsmittelanwalt um die Fristwahrung zu kümmern. Insbesondere muss er eigenverantwortlich das für den Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist maßgebende Zustellungsdatum feststellen (BGH v. 22.11.1990 – I ZB 13/09, NJW-RR 1991, 828, 829; BGH, Beschl. v. 18.12.1985 – I ZR 171/85, NJW-RR 1986, 614; Zöller/Greger, a.a.O., jeweils m.w.N.).
Nach der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages hat sich die für die Beschwerdeinstanz beauftragte Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter bei der Berechnung der Beschwerdefrist maßgeblich auf den Eingangsstempel gestützt, mit dem der vormalige Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter den angefochtenen Beschluss versehen hatte. Darauf durfte sich die Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter aber nicht verlassen, denn aus dem Datum des Eingangsstempels kann nicht ohne weiteres auf den Tag der Zustellung geschlossen werden (BGH v. 18.12.1985 – I ZR 171/85, NJW-RR 1986, 614 m.w.N.). Wie bereits ausgeführt ist maßgeblich für die Fristberechnung das Datum, mit dem das Empfangsbekenntnis versehen ist. Die Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter hätte sich deshalb, entweder durch Nachfrage beim vormaligen Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter oder durch Akteneinsicht, vom genauen Datum der Zustellung überzeugen müssen. Das gilt umso mehr, als es in den Verfahren nach § 1666 BGB nicht unüblich ist, dass die ergangenen Beschlüsse bereits – wie hier – mittels Telekopie zugestellt und nur zusätzlich auf dem Postwege versandt werden. Dieser anwaltlichen Pflicht ist die, für das Beschwerdeverfahren beauftragte Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter schuldhaft nicht nachgekommen, denn sie hat keine ausreichenden Feststellungen zur verlässlichen Ermittlung des Zustellungsdatums getroffen. Dieses Verschulden ist der Kindesmutter nach § 11 S. 5 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Eine Widereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Beschwerdefrist kommt deshalb nicht in Betracht.
2. Maßnahmen zur Fristwahrung
Rz. 35
Ein Rechtsanwalt, der die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels bis zum letzten Tag ausschöpft, hat wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen. Allerdings muss er sich auf einen krankheitsbedingten Ausfall nur durch konkrete Maßnahmen vorbereiten, wenn er einen solchen Ausfall vorhersehen kann. Er ist daher selbst dann, wenn er eine Frist bis zum letzten Tag ausschöpfen will, nicht gehalten, für den Fall einer unvorhergesehenen Erkrankung vorsorglich einen Vertreter zu bestellen.
Rz. 36
Auch bei einer unvorhergesehenen Erkrankung muss ein Rechtsanwalt aber alle ihm dann noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung einer Frist ergreifen. Der krankheitsbedingte Ausfall des Rechtsanwalts am letzten Tag der Frist rechtfertigt für sich genommen deshalb eine Wiedereinsetzung noch nicht. Vielmehr liegt nur dann kein dem V...