I. Systematik des Sozialrechts
Rz. 1
Das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG gebietet es dem Gesetzgeber, den sozialen Rechten und Bedürfnissen der Bürger zu entsprechen. Diese Rechte sind im Wesentlichen in den Sozialgesetzbüchern I bis XII und XIV kodifiziert worden. Dabei bildet das SGB I den allgemeinen Teil dieses Regelungskomplexes und legt die Grundsätze der folgenden Bücher des SGB fest. Nach § 1 SGB I soll das Recht des Sozialgesetzbuchs zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Sozialleistungen einschließlich sozialer und erzieherischer Hilfen gestalten. Es enthält eine Beschreibung der Leistungen und der Leistungssysteme (§§ 11 ff. SGB I), allgemeine Grundsätze (§§ 30 ff. SGB I) sowie Grundsätze des Leistungsrechts (§§ 38 ff. SGB I) und regelt allgemeine Mitwirkungspflichten (§§ 60 ff. SGB I). Das verfahrensrechtliche Gegenstück dazu bildet das SGB X, welches das allgemeine Sozialleistungsverfahren und den Sozialdatenschutz regelt. Das SGG bildet die Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens, insbesondere den prägenden Aspekt der Amtsermittlung, ab.
Rz. 2
Das SGB II regelt die Grundsicherung für Arbeitslose (Bürgergeld). Das Gesetz soll es den Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 SGB II) und kombiniert dazu Hilfeleistungen mit Maßnahmen der Arbeitsförderung. Das SGB III enthält zweierlei Regelungen. Auf der einen Seite wird mit der Arbeitslosenversicherung ein beitragsfinanziertes Vorsorgesystem geschaffen. Andererseits regelt ein zweiter Teil des SGB III zahlreiche Arbeitsmarktinstrumente zur aktiven Arbeitsförderung. Diese sind wiederum der sozialen Förderung zuzuordnen und somit steuerfinanziert.
Rz. 3
Die Regelungen über die Sozialversicherungen werden durch das SGB IV eingeleitet, welches die gemeinsamen Vorschriften regelt. Es stellt den allgemeinen Teil der Sozialversicherungen dar. Den besonderen Teil machen das SGB III, V, VI, VII und XI aus. In § 7 SGB IV wird der zentrale Anknüpfungspunkt für Versicherungspflicht und Mitgliedschaft in den Sozialversicherungen geregelt: das Beschäftigungsverhältnis. Das SGB V regelt die gesetzliche Krankenversicherung, das SGB VI die gesetzliche Rentenversicherung, das SGB VII die gesetzliche Unfallversicherung, das SGB VIII die Kinder- und Jugendhilfe und das SGB XI die soziale Pflegeversicherung.
Rz. 4
Ferner wird im SGB IX die Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen geregelt. Durch das Bundesteilhabegesetz vom 23.12.2016 wurde das SGB IX neu gefasst und ist seit dem 1.1.2024 in seinem vollen Umfang in Kraft getreten. Das SGB XII regelt die Sozialhilfe. Diese soll nach § 1 SGB XII den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Regelungen des SGB XII enthalten unter anderem die Regelungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie die Hilfe zur Pflege.
Rz. 5
Das SGB XIV fasst die Regelungen zur sozialen Entschädigung zusammen und gliedert sie in das System des Sozialgesetzbuchs ein. Das Gesetz trat zum 1.1.2024 vollständig in Kraft. Geregelt werden Leistungen für Opfer von Gewalttaten (§§ 13–20 SGB XIV), Opfer von Kriegsauswirkungen beider Weltkriege (§§ 21, 22 SGB XIV), Geschädigte durch Ereignisse im Zusammenhang mit Ableistung des Zivildienstes (§ 23 SGB XIV) und Geschädigte durch Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe (§ 24 SGB XIV).
II. Anspruch auf Sozialhilfeleistungen
Rz. 6
Nach § 9 Abs. 1 SGB I kann Sozialhilfe beanspruchen, wer nicht in der Lage ist, aus eigenen Kräften seinen Lebensunterhalt zu bestreiten oder in besonderen Lebenslagen sich nicht mit eigenen Mitteln selbst zu helfen und auch von anderer Seite keine ausreichende Hilfe erhält. Dabei müssen diese Mittel auch tatsächlich zur Verfügung stehen und nicht ausdrücklich "normativ anerkannt für andere Zwecke genutzt werden dürfen". Diese Voraussetzung der Bedürftigkeit folgt aus dem Subsidiaritätsprinzip (§ 2 SGB XII, §§ 2, 3 Abs. 3 SGB II) der Sozialhilfe. Demnach ist jeder dazu verpflichtet, sich vorrangig selbst zu helfen. Die Verpflichtung zur Selbsthilfe gilt als Ausdruck der Menschenwürde. Um diesen sozialrechtlichen Bedarf zu decken, stehen die Mittel der Sozialhilfe nach SGB XII und der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II zur Verfügung. Diese beiden Leistungssysteme bilden das "unterste Netz" der sozialen Sicherungen.
Ein Anspruch auf Leistungen nach SGB II oder SGB XII besteht grundsätzlich immer dann, wenn ein sozialhilferechtlicher Bedarf ungedeckt ist, der Anspruchsteller bedürftig ist und er zum anspruchsberechtigten Personenkreis des SGB II oder des SGB XII gehört.
1. Anspruch auf Leistungen nach SGB II (Bürgergeld)
Rz. 7
Nach § 7 Abs. 1 SGB II sind Personen leistungsberechtigt, die das 15. Lebensjahr vo...