Rz. 6
Nach § 9 Abs. 1 SGB I kann Sozialhilfe beanspruchen, wer nicht in der Lage ist, aus eigenen Kräften seinen Lebensunterhalt zu bestreiten oder in besonderen Lebenslagen sich nicht mit eigenen Mitteln selbst zu helfen und auch von anderer Seite keine ausreichende Hilfe erhält. Dabei müssen diese Mittel auch tatsächlich zur Verfügung stehen und nicht ausdrücklich "normativ anerkannt für andere Zwecke genutzt werden dürfen". Diese Voraussetzung der Bedürftigkeit folgt aus dem Subsidiaritätsprinzip (§ 2 SGB XII, §§ 2, 3 Abs. 3 SGB II) der Sozialhilfe. Demnach ist jeder dazu verpflichtet, sich vorrangig selbst zu helfen. Die Verpflichtung zur Selbsthilfe gilt als Ausdruck der Menschenwürde. Um diesen sozialrechtlichen Bedarf zu decken, stehen die Mittel der Sozialhilfe nach SGB XII und der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II zur Verfügung. Diese beiden Leistungssysteme bilden das "unterste Netz" der sozialen Sicherungen.
Ein Anspruch auf Leistungen nach SGB II oder SGB XII besteht grundsätzlich immer dann, wenn ein sozialhilferechtlicher Bedarf ungedeckt ist, der Anspruchsteller bedürftig ist und er zum anspruchsberechtigten Personenkreis des SGB II oder des SGB XII gehört.
1. Anspruch auf Leistungen nach SGB II (Bürgergeld)
Rz. 7
Nach § 7 Abs. 1 SGB II sind Personen leistungsberechtigt, die das 15. Lebensjahr vollendet haben und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Wer die Altersgrenze erreicht hat oder dauerhaft voll erwerbsgemindert ist, erhält keine Leistungen des SGB II, sondern Grundsicherung nach SGB XII. Daher stellt die Erwerbsfähigkeit das wichtigste Abgrenzungskriterium zu der Leistungsgewährung im SGB XII dar. Diese ist in § 8 Abs. 1 SGB II definiert.
Rz. 8
Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Die Bestreitung des Lebensunterhalts durch die eigene Arbeit wird durch die grundsätzlichen Regeln zur Zumutbarkeit in § 10 SGB II bestimmt. Demnach ist dem erwerbstätigen Leistungsberechtigten jede Arbeit zumutbar, auch wenn sie untertariflich bezahlt wird, hinter seiner bisherigen Beschäftigung oder Ausbildung zurückbleibt oder die Arbeitsbedingungen sonst ungünstiger sind als bisher. Dies entspricht dem Grundsatz des "Fördern und Forderns", der dem SGB II zugrunde liegt.
Um von einem Sozialhilfeträger Leistungen beanspruchen zu können, muss der Betroffene nachweisen können, dass er hilfebedürftig ist.
Rz. 9
Nach § 2 SGB XII wird die jeweilige Sozialhilfe grundsätzlich nur dann gewährt, wenn kein bzw. nicht genügend eigenes Einkommen oder Vermögen zur Deckung des Bedarfs vorhanden ist. Dies wird als sog. Nachranggrundsatz bezeichnet. Dabei ist zwischen Einkommen i.S.d. § 11 SGB II und verwertbarem Vermögen i.S.d. § 12 SGB II zu unterscheiden.
2. Abgrenzung Einkommen – Vermögen
Rz. 10
Anknüpfungspunkt für die Abgrenzung im Bereich des SGB II ist daher der in § 11 SGB II definierte Einkommensbegriff und die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelte modifizierte Zuflusstheorie. Nach der vom Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung vertretenen modifizierten Zuflusstheorie ist Einkommen all das, was jemand in der sog. Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Antrag auf Leistungen nach dem SGB II grundsätzlich auf den Monatsersten des Antragsmonats zurückwirkt, mit der Folge, dass die im Antragsmonat zugeflossenen Einnahmen in Geld auch dann zu berücksichtigen sind, wenn der Antrag tatsächlich erst nach dem Eingang des Geldes gestellt wurde. Ein nach dem SGB II Leistungsberechtigter ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht befugt, durch Antragsrücknahme oder Beschränkung des Antrags einseitig in die materiell-rechtliche Rechtslage einzugreifen, um nach der Antragstellung zugeflossenes Einkommen in Vermögen zu wandeln.
Rz. 11
Einmalige Einnahmen werden nur im Monat ihres Zuflusses als Einkommen berücksichtigt. Bedarfsübersteigende Beträge im Monat des Zuflusses werden nicht mehr als Einkommen berücksichtigt, sondern werden im Folgemonat dem Vermögen zugeschlagen, was – wegen der Vermögensfreibeträge – in der Regel nur bei höheren einmaligen Einnahmen, zu einem Wegfall des Leistungsanspruchs führt.
Rz. 12
Zu beachten ist, dass Erbschaften, Pflichtteilsansprüche und aufgrund der gesetzlichen Ausnahme in § 11 Abs. 1 Nr. 7 SGB II auch, wenn sie während des Leistungsbezuges zufließen, nicht als Einkommen zu berücksichtigten sind. Im Monat des Zuflusses sind Erbschaften, Pflichtt...