Dr. Sebastian Hofert von Weiss
Rz. 94
Nachdem die steuerlichen Anreize für das sog. Schütt-Aus-Hol-Zurück-Verfahren durch das UStG 2008 weggefallen sind, hat die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln wieder an praktischer Bedeutung gewonnen. Die Gesellschaft ist aus steuerlichen Gründen nicht mehr gezwungen, ihre Gewinne zunächst auszuschütten, um im nächsten Schritt das unternehmerisch notwendige Kapital in Form von Darlehen oder Kapitalerhöhungen wieder in der Gesellschaft zu binden.
Rz. 95
Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (nominelle Kapitalerhöhung) ist in §§ 57c–57o GmbHG geregelt. Bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln werden freie Rücklagen (§ 272 Abs. 2 und Abs. 3 HGB), die der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter unterliegen, in Stammkapital umgewidmet. Hieraus folgt, dass auf diesem Wege das Eigenkapital der Gesellschaft nicht effektiv erhöht wird, also der Gesellschaft nur nominell, aber nicht effektiv mehr Eigenkapital zur Verfügung steht. Die ursprünglichen frei verfügbaren Rücklagen werden bilanziell in Stammkapital "umgewidmet" und damit dauerhaft der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter, insb. deren Ausschüttungsbegehren entzogen. Der Kapitalerhöhungsbeschluss aus Gesellschaftsmitteln stellt eine Satzungsänderung dar, deren Formvorschriften allerdings durch § 57d GmbHG ergänzt werden. Diese Form der Kapitalerhöhung bedarf also eines notariell beurkundeten Gesellschafterbeschlusses (§ 57c Abs. 4 GmbHG), aus dem ein fester Erhöhungsbetrag zu entnehmen ist sowie die Tatsache, dass die Kapitalerhöhung durch Umwandlung von Rücklagen erfolgt. Hierfür sind Angaben über die zugrunde gelegte Bilanz und die Rücklagen, zu deren Lasten die Umwandlung stattfinden soll, erforderlich. Es kann auf die Jahresbilanz zurückgegriffen werden. Diese muss allerdings geprüft und testiert und im Zeitpunkt des Eingangs der Anmeldung beim Registergericht nicht älter als 8 Monate sein (§ 57e Abs. 1 GmbHG). Soweit diese Frist nicht eingehalten werden kann, bedarf es einer Zwischenbilanz. Die Anmeldung der Kapitalerhöhung zur Eintragung in das Handelsregister hat durch sämtliche (!) Geschäftsführer zu erfolgen.
Rz. 96
Die Kapitalerhöhung aus Eigenmitteln führt entweder zur Erhöhung des Nennbetrages der ursprünglichen Geschäftsanteile oder zur anteiligen Ausgabe neuer Geschäftsanteile an die Altgesellschafter. Dabei ist nach der herrschenden Meinung auch eine Kombination beider Durchführungsarten möglich. Gesellschafter dürfen insb. auch mehrere neue Geschäftsanteile übernehmen. Die Gesellschafter sind in ihrer Beschlussgestaltung also weitestgehend frei. Eine abweichende Zuweisung der Geschäftsanteile an Dritte ist allerdings nicht möglich.