Dr. Sebastian Hofert von Weiss
Rz. 20
Unter einem "Rating" versteht man die Bewertung der Kreditwürdigkeit von Schuldnern innerhalb einer bestimmten Skala. Ein gutes Rating erhält ein Unternehmen, bei dem der Investor sicher sein kann, dass er Zinsen und Tilgung rechtzeitig erhält; ein schlechtes Rating erhält dagegen dasjenige Unternehmen, bei dem diesbezüglich Unsicherheiten bestehen.
Für den Kapitalgeber eines Unternehmens ist ein solches Zeugnis ein wichtiges Instrument, um den Preis für Fremdkapital, d.h. den Zins für den Kreditnehmer, bestimmen zu können. Bei guter Kreditwürdigkeit ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass es bei der Rückzahlung der Verbindlichkeit zu Schwierigkeiten kommt. Der Zins ist dann entsprechend niedriger. Unternehmen mit einer schlechten Bonität müssen dagegen einen höheren Zins in Kauf nehmen, der einen sog. Risikoaufschlag beinhaltet.
Rz. 21
Früher erfolgte die Prüfung der Kreditwürdigkeit der meisten Unternehmen in Deutschland fast ausschließlich durch die kreditgebenden Kreditinstitute selbst, sog. bankinternes Rating. Im Ausland und insb. im anglo-amerikanischen Raum spielte daneben seit jeher die Bewertung der Bonität eines Unternehmens durch bankenunabhängige Finanzdienstleister, sog. Rating-Agenturen, eine wesentliche Rolle. Auch in Deutschland bieten verschiedene Rating-Agenturen dieses sog. externe Rating an.
Rz. 22
Ratings bedeuten für das zu bewertende Unternehmen abhängig von seiner Größe einen finanziellen Aufwand. Die Kosten setzen sich aus dem Preis für das Ratingverfahren selbst und den Aufwendungen des Unternehmens während des Verfahrens zusammen. Im Ergebnis kann ein Rating für ein Unternehmen allerdings sowohl zu besseren Fremdfinanzierungskonditionen als auch zu einer Verbesserung des Images des Unternehmens führen.
Zunächst kann ein Rating helfen, die Fremdfinanzierungskosten zu senken und/oder neue Finanzierungsquellen zu erschließen. Besonders solche Unternehmen, die die Konditionen für Kredite ihrer Hausbank für nicht angemessen halten, können mit einem Rating ihre Verhandlungsposition deutlich verbessern. Verfügen sie über ein Zeugnis ihrer Kreditwürdigkeit entweder einer anderen Bank oder einer externen Rating-Agentur, können sie die Bonitätsbeurteilung durch die Hausbank infrage stellen. Eine Verbesserung der Verhandlungsposition ergibt sich auch daraus, dass ein Wechsel zu einer anderen Bank leichter möglich wird, wenn bei Stellung eines Kreditantrags ein Rating vorliegt. Selbst dann, wenn die Bank das Rating nicht als Ersatz für die eigene Kreditwürdigkeitsprüfung ansehen wird, wird sie gleichwohl eher geneigt sein, den Aufwand für die Prüfung eines Kreditantrags in Kauf zu nehmen, wenn sie bereits einen Hinweis auf eine gute Kreditwürdigkeit eines kreditnachfragenden Unternehmens hat.
Ein Rating kann aber auch im Hinblick auf andere Finanzierungsquellen von Nutzen sein. So können sich die Finanzierungskonditionen ggü. Lieferanten, Versicherungen oder öffentlichen Förderinstitutionen verbessern. Darüber hinaus besteht ggf. die Möglichkeit, private Investoren zu finden, die Private Equity und/oder Mezzanine-Kapital zur Verfügung stellen. Nicht zuletzt sind Aktien- und Anleihenmärkte nicht länger nur für Großunternehmen eine interessante Finanzierungsquelle, da sich immer mehr Märkte auch für kleinere Unternehmen öffnen. Das Rating trägt in diesem Zusammenhang dazu bei, dass das zu finanzierende Unternehmen den auf diesen Märkten herrschenden höheren Anforderungen an die Transparenz des Unternehmens gerecht wird.
Rz. 23
Hinweis
Aus Sicht des im Handels- und Gesellschaftsrecht beratenden Anwalts sind die Auswirkungen eines Ratings auf die Außendarstellung eines Unternehmens nicht zu unterschätzen. Ein gutes Rating ist zum einen ein prägnantes Gütesiegel, das auch ohne die Analyse umfangreicher Unternehmensinformationen einen positiven Eindruck von dem betreffenden Unternehmen vermittelt. Zum anderen wirkt es positiv auf Kunden, Geschäftspartner und Mitarbeiter, wenn sich ein Unternehmen einem Beurteilungsverfahren durch externe unabhängige Prüfer unterzieht und damit Selbstbewusstsein demonstriert.
Insb. bei der Anbahnung neuer Geschäftsbeziehungen und den damit verbundenen Verhandlungen kann ein Rating daher mitunter den entscheidenden Unterschied zu einem Mitbewerber ausmachen. So schafft es Vertrauen und Vorteile in Verhandlungen, wenn ein Unternehmen seine finanzielle Verlässlichkeit und Beständigkeit durch ein gutes Rating belegen kann.
An Rating-Agenturen ist insb. im Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise heftige Kritik geübt worden. So weisen Produkte, die sich später als Totalausfall entpuppen, immer wieder gute bis sehr gute Bonitätsbewertungen auf. Zudem haben Ratings – insbesondere von Staaten – in der Vergangenheit immer wieder unerwünschte Kapitalmarktbewegungen hervorgerufen oder verstärkt. Dies ändert allerdings nichts daran, dass Rating inzwischen zum festen Bestandteil der Kreditrisikoeinschätzung weltweit geworden ist.