Dr. Sebastian Hofert von Weiss
Rz. 280
Charakteristisch für diese Finanzierungsform ist die Beleihung des Cash-Flow, den das Projekt voraussichtlich in Zukunft erwirtschaftet. Von der klassischen Fremdfinanzierung unterscheidet sich die Projektfinanzierung also insb. dadurch, dass Grundlage für die Kreditwürdigkeitsprüfung das Projekt bzw. die künftigen Erträge des Projektes und nicht die Bonität des Kreditnehmers ist.
Es werden daher dem Grundsatz nach keine externen, d.h. außerhalb der Vermögensgegenstände des Projektes liegenden, Sicherheiten benötigt. Dennoch bestehen die Kreditgeber des Projektes i.d.R. darauf, dass die Initiatoren des Projektes (Projektsponsoren) zumindest bis zur Betriebsbereitschaft des Projektes in mehr oder weniger stark ausgeprägter Form mit eigenen Vermögenswerten des Unternehmens haften, da das Risiko des Scheiterns des Projektes in der Phase bis zur Betriebsbereitschaft besonders groß ist und die Kreditgeber kaum wirksame Möglichkeiten zur direkten Risikosteuerung und -begrenzung haben. Üblich ist daher die Stellung sog. Fertigstellungsgarantien (Completion Guarantees) durch die Projektsponsoren. Von ihren Verpflichtungen hierunter werden sie erst entbunden, wenn das Projekt einen vertraglich festgelegten Fertigstellungstest (Completion Test) bestanden hat.
Rz. 281
Spätestens mit Bestehen des Fertigstellungstestes zeichnet sich die Projektfinanzierung dann durch risk sharing aus. Die bei einem komplexen Großprojekt regelmäßig schwer überschaubaren oder schwer kontrollierbaren Projektrisiken werden vertraglich auf mehrere Schultern verteilt, namentlich auf die kreditgebenden Banken, die Projektsponsoren und die übrigen Projektbeteiligten. Ein Rückgriff der finanzierenden Banken auf die Projektgesellschaft oder die Projektsponsoren wird vertraglich begrenzt (limited recourse) oder sogar vollständig ausgeschlossen (non recourse). Die Risiken der Fremdkapitalgeber sind mithin höher als bei traditionellen Kreditgeschäften. Zum Ausgleich bieten Projektfinanzierungen aber auch eine höhere Rendite als klassische Fremdkapitalengagements.
Rz. 282
Die Projektverbindlichkeiten schlagen sich nicht oder nur in Höhe übernommener Garantien in den Bilanzen der Projektsponsoren nieder und werden nach Möglichkeit komplett auf die Projektgesellschaft verlagert. Damit ist eine bilanzneutrale Gestaltung der Finanzierung (Off Balance Sheet Financing) möglich.
Rz. 283
Eine wesentliche Rolle bei der Strukturierung einer Projektfinanzierung spielen auch steuerliche Aspekte. Je nach Belegenheit und Art des Projektes ergeben sich hier vielfältige Möglichkeiten zu einer steueroptimierten Gestaltung.
Rz. 284
Die Projektfinanzierung ist nicht nur juristisch interdisziplinär. In rechtlicher Hinsicht erfordert sie Beratung im Handels- und Gesellschaftsrecht, im öffentlichen Wirtschaftsrecht, Haushaltsrecht und Planungsrecht, Vergaberecht, Steuerrecht, Finanzrecht und regelmäßig im Recht des Anlagenbaus. Darüber hinaus ist aufgrund der Tatsache, dass Cash-Flows beliehen werden, eine besonders enge Zusammenarbeit der beratenden Anwälte mit Wirtschaftsprüfern, Unternehmensberatern und Investmentbanken erforderlich.