Dr. Sebastian Hofert von Weiss
Rz. 192
Im Bereich der kurzfristigen Fremdfinanzierung kann von Kreditgewährung mit Laufzeit bis zu einem Jahr ausgegangen werden. Wesentliche Instrumente sind der Kontokorrentkredit, der Lieferantenkredit, Kundenanzahlungen sowie der Wechselkredit.
aa) Kontokorrentkredit
Rz. 193
Durch einen Kontokorrentkredit wird dem Unternehmen ein Spielraum zur Überziehung seines Kontos eingeräumt. Der Kredit entsteht bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs.
Die Bank, i.d.R. die Hausbank des Unternehmens, räumt diesem einen Kredit bis zu einer bestimmten Höhe ein, d.h. das Unternehmen kann sein Konto bis zu einem vereinbarten Maximalbetrag (Kreditlinie) überziehen. So entsteht ein Kontokorrent i.S.d. §§ 355 ff. HGB, d.h. eine laufende Rechnung, die ein wechselseitiges Schuld- und Guthabenverhältnis darstellt. Das Kontokorrent dient zwar der kurzfristigen Finanzierung, das Kontokorrentverhältnis ist aber, obwohl es, wenn der Vertrag nichts anderes vorsieht, jederzeit gekündigt werden kann (§ 355 Abs. 3 HGB), de facto langfristig.
Rz. 194
Da die Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredites durch das Unternehmen kurzfristig jederzeit und in unterschiedlicher Höhe erfolgen kann, sind die für ihn verlangten Zinsen in aller Regel relativ ungünstig. Er eignet sich i.R.d. Unternehmensfinanzierung daher im Allgemeinen nur zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe.
bb) Lieferantenkredit
Rz. 195
Beim Lieferantenkredit handelt es sich um einen Kredit, den der Lieferant dem Unternehmen durch Gewährung eines Zahlungsziels, also durch eine hinausgeschobene Bestimmung der Leistungszeit für seine Forderung i.S.d. § 271 BGB, einräumt. Der Lieferantenkredit ist eine übliche Form der Finanzierung des Warenumschlags und wird meist für 30–90 Tage gewährt. Zahlt der Kunde vor Ablauf des Zahlungsziels, so kann er meist ein nach Zeitspannen gestaffeltes Skonto abziehen. Zur Sicherung des Lieferantenkredits bedient sich der Lieferant meist des Eigentumsvorbehalts. Berücksichtigt man die Kurzfristigkeit dieses Kredits und die Möglichkeit, bei sofortiger Zahlung ein Skonto zu erhalten, ist auch dieser Kredit aus Sicht des Unternehmens eine relativ teure Form der Kapitalbeschaffung.
cc) Kundenanzahlungen
Rz. 196
Kundenanzahlungen (auch Abnehmerkredit, Anzahlung oder Vorauszahlungskredit genannt) stellen einen Kredit des Auftraggebers an seinen Lieferanten und somit eine spezielle Form des Handelskredits dar. Der Auftraggeber leistet Zahlungen von Teilbeträgen vor Erbringung der vertraglich vereinbarten Leistung zu bestimmten Terminen, die zumeist vom Fortschritt mit der zu erbringenden Leistung abhängig sind, vor. Die Höhe und Frequenz der Zahlungen hängen von den Usancen der jeweiligen Branche und der konjunkturellen Situation ab (Auslastungsgrad und Auftragslage). Der Kredit wird zinslos gewährt und kommt durch eine Vorleistung i.S.d. § 320 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB zustande.
Rz. 197
Die Ursache für die Kreditinanspruchnahme liegt letztlich in der langen Kapitalbindungsdauer, die mit der Planung, Vorbereitung und Erstellung insb. von größeren Projekten verbunden ist. Die Kundenanzahlung führt, dem Umfang sowie Zeitraum seiner Gewährung entsprechend, zu einer Senkung der Zwischenfinanzierungskosten des auftragnehmenden Unternehmens. Auch wird in einem gewissen Maße das Risiko der Nichtabnahme durch den Besteller reduziert. Der Auftraggeber ist dann an einer Einräumung einer Kundenanzahlung interessiert, wenn er dadurch günstigere Lieferzeiten oder Preiszugeständnisse erhalten kann.
Rz. 198
Kundenanzahlungen kommen v.a. im Großanlagengeschäft (Herstellung von schlüsselfertigen Anlagen, wie Kraftwerke, Fabriken etc.), im Schiffs- und Flugzeugbau, in der Bauindustrie, in der Maschinenbauindustrie (Herstellung von Spezialmaschinen, Industrierobotern etc.) sowie im Zusammenhang mit der Erstellung von umfangreichen Sachverständigengutachten vor.
dd) Wechselkredit
Rz. 199
Bei einem Wechsel handelt es sich um ein Wertpapier, das eine unbedingte Zahlungsanweisung des Gläubigers an den Schuldner und zugleich eine Zahlungsverpflichtung des Schuldners an den Inhaber des Wechsels verbrieft. Die gesetzlichen Grundlagen des Instruments finden sich im Wechselgesetz (WG). Der Wechsel ist eine Urkunde und ein geborenes Orderpapier. Er kann daher nur mittels Indossament übertragen werden. Das Recht aus einem Wechsel kann nur durch Vorlage des Wechsels geltend gemacht werden. Das Wechselversprechen ist ein abstraktes Schuldversprechen i.S.d. § 780 BGB. Die Verpflichtungen aus einem Wechsel sind daher losgelöst vom Grundgeschäft. Das bedeutet, dass eine Wechselforderung auch dann besteht, wenn das Grundgeschäft, für welches der Wechsel ausgestellt wurde, nicht wirksa...