Dr. Sebastian Hofert von Weiss
Rz. 165
Industrieobligationen sind verzinsliche Schuldverschreibungen, die am Kapitalmarkt platziert werden. Es handelt sich um Wertpapiere, die in Serie zu gleichen Bedingungen ausgegeben werden, und in denen das Unternehmen den Kapitalgebern Rückzahlung und Verzinsung einer bestimmten Geldsumme zu im Voraus festgelegten Bedingungen verspricht. Wirtschaftlich ist eine Industrieobligation ein in Teilbeträge aufgeteiltes langfristiges Großdarlehen auf einheitlicher Grundlage.
Durch die Ausgabe der Obligation (Anleihe) tritt ein Unternehmen als Anleihenehmer in Rechtsbeziehung zu einer Vielzahl von Geldgebern. Die Einzelheiten sind in den Anleihebedingungen geregelt. Dabei sind die einzelnen Forderungsrechte der Gläubiger hinsichtlich ihres Bestandes und in ihrer Ausübung grds. voneinander unabhängig, können also jeweils für sich allein ohne Mitwirkung der übrigen Gläubiger geltend gemacht werden. Nur in Einzelfällen sieht das Gesetz kollektives Handeln der Gläubiger vor.
Rz. 166
Industrieobligationen werden entweder öffentlich zur Zeichnung angeboten oder auf dem Wege der Privatplatzierung einem ausgewählten Investorenkreis offeriert. Oft tritt eine mit der Emission einhergehende oder nachgelagerte Börsenzulassung hinzu.
Die Verbriefung der Forderung des Anleihegläubigers erfolgt in einem Wertpapier. Dabei kann zwischen Inhaber- und Namensschuldverschreibungen unterschieden werden. Die Inhaberschuldverschreibungen sind in den §§ 793 ff. BGB gesetzlich geregelt und stellen den Regelfall dar. Sie sind einfach zu übertragen und werden daher in der Praxis präferiert.
Rz. 167
Traditionell am häufigsten werden Industrieobligationen als fest verzinsliche Anleihen (Straight Bonds, Fixed Rate Bonds) begeben. Bei einer festgelegten max. Laufzeit wird ein fester Nominalzinssatz (Kuponrate) gewährt, bis die Rückzahlung des Anleihebetrages i.H.d. Nominalwertes ansteht.
Rz. 168
Als Alternative zu den klassischen fest verzinslichen Anleihen werden variabel verzinsliche Anleihen emittiert. Sie sind dadurch charakterisiert, dass der Zinssatz nicht für die gesamte Laufzeit der Anleihen festgelegt ist, sondern in regelmäßigen Abständen an die jeweiligen Marktkonditionen angepasst wird.
Rz. 169
Bei Nullkuponanleihen (Zero Bonds) wird überhaupt keine regelmäßig wiederkehrende Verzinsung gewährt. Der Zinseffekt entsteht allein durch den Unterschied zwischen dem Ausgabe- und dem Rückzahlungskurs. In der Praxis haben sich besonders zwei Arten der Nullkuponanleihe herausgebildet. Die einen werden zu einem Preis ausgegeben, der wesentlich unter dem Nennwert liegt. Zum Ende der Laufzeit erfolgt dann die Rückzahlung zum Nennwert. In einer anderen Variante wird die Anleihe zum Nennwert ausgegeben und zu einem höheren Kurs zurückgezahlt. Nullkuponanleihen haben für den Emittenten u.a. den Vorteil, dass er während der gesamten Laufzeit der Anleihe keine Liquidität für Zinszahlungen bereitstellen muss.
Rz. 170
Industrieobligationen sind normalerweise bis zum Ende der Laufzeit nicht kündbar. Möglich ist aber auch die Festlegung eines ordentlichen Kündigungsrechts für den Emittenten (Call Option). Es muss allerdings ausdrücklich in den Anleihebedingungen vereinbart sein. In diesem Zusammenhang ist umstritten, inwieweit § 489 BGB auf die Industrieobligationen als Schuldverschreibung anwendbar ist. Von der herrschenden Meinung wird eine Anwendbarkeit des § 489 BGB abgelehnt, da Schuldverschreibungen regelmäßig ein abstraktes Schuldversprechen und nicht eine Darlehensforderung verkörpern. Weiterhin seien auf Schuldverschreibungen ausschließlich die §§ 753 ff. BGB anwendbar.
Rz. 171
Für die Rückzahlung kommt die Tilgung der Schuldverschreibung in einem einzigen Betrag, in gleichen Raten über die Laufzeit sowie in Form von Annuitäten mit variierendem Zins- und Tilgungsanteil infrage. Werden die Anleihen nicht am Ende der Laufzeit zurückgezahlt, sondern entsprechend einem im Zeitpunkt der Ausgabe festzulegenden Tilgungsplan, kann vorgesehen werden, dass eine in Serien zerlegte Industrieobligation nach vertraglich festgelegten tilgungsfreien Zeiten in einer durch Los bestimmten Reihenfolge zurückbezahlt wird. Das Unternehmen kann auch Rückkäufe am Markt i.H.d. entsprechenden Tilgungsbeträge tätigen.
Rz. 172
Bei der Ausgabe von Industrieobligationen kann abhängig von der Bonität und dem Rating des Emittenten Bedarf für die Besicherung bestehen. Neben der Verwendung der traditionellen Sicherungsinstrumente der Personal- und Realsicherheiten lässt sich dabei auch der Einsatz von Abreden mit Sicherungsfunktionen, also Berichts- und Verhaltenspflichten, feststellen. Eine Verletzung dieser Zusicherungen führt i.d.R. zu einem außerordentlichen Kündigungsrecht der Gläubiger der Industrieobligationen. Häufig anzutreffen ist auch eine sog. Negativerklärung (Negative Pledge), in der sich der Emittent verpflichtet, während der Laufzeit der Industrieobligation keine anderen, der Anleihe gleich- oder nachrangigen Verbindlichkeiten zu besichern oder deren Besi...