Dr. Sebastian Hofert von Weiss
Rz. 100
Zur Beschaffung neuen Eigenkapitals durch Zuführung von Geldmitteln unterscheidet das AktG drei Formen (s. § 10 Rdn 781 ff. und § 10 Rdn 1676 ff.).
Daneben kann auch bei der AG eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln erfolgen (§§ 207–220 AktG).
(1) Ordentliche Kapitalerhöhung
Rz. 101
Die ordentliche Kapitalerhöhung ist die regulär durchgeführte Erhöhung des gezeichneten Kapitals; sie erfolgt durch die Ausgabe neuer Aktien. Die Rechtswirksamkeit der ordentlichen Kapitalerhöhung ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:
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Beschluss der Hauptversammlung mit Dreiviertelmehrheit des bei der Beschlussfassung anwesenden Grundkapitals (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AktG), es sei denn, die Satzung bestimmt eine andere Mehrheit, die für die Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht jedoch nur über einer Dreiviertelmehrheit liegen kann (§ 182 Abs. 1 Satz 2 AktG). Sind mehrere Aktiengattungen (§ 11 AktG) vorhanden, dann muss diese Mehrheit für jede Gattung errungen werden (§ 182 Abs. 2 AktG). |
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Eine Erhöhung des Kapitals darf grds. nicht erfolgen, solange noch Einlagen auf das bisherige gezeichnete Kapital ausstehen und noch erlangt werden können (§ 182 Abs. 4 Satz 1 AktG). Dies gilt sowohl für Bar- als auch für Sacheinlagen. Liegt ein Verstoß gegen diese Voraussetzung vor, muss das Registergericht die Kapitalerhöhung ablehnen. |
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Der Kapitalerhöhungsbeschluss ist durch den Vorstand und den Aufsichtsratsvorsitzenden zur Eintragung beim Handelsregister anzumelden (§ 184 Abs. 1 Satz 1 AktG). Die Anmeldung muss in öffentlich beglaubigter Form (§ 12 HGB, § 129 BGB) beim zuständigen Registergericht eingereicht werden. Mit der Eintragung wird der Kapitalerhöhungsbeschluss bindend. Zuvor prüft das Registergericht neben der Ordnungsmäßigkeit der Anmeldung, ob die gesetzlichen und die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Kapitalerhöhung – formell und materiell – vorliegen. |
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Von der Anmeldung des Kapitalerhöhungsbeschlusses ist die Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung (§ 188 AktG) beim Handelsregister zu unterscheiden. Die Kapitalerhöhung wird mit der Eintragung ihrer Durchführung wirksam (§ 189 AktG). Die Anmeldung der Kapitalerhöhung und die Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung können miteinander verbunden werden. |
Rz. 102
Von erheblicher wirtschaftlicher und rechtlicher Bedeutung bei der ordentlichen Kapitalerhöhung ist die Normierung des Bezugsrechts der bisherigen Aktionäre. Gem. § 186 Abs. 1 Satz 1 AktG muss jedem Aktionär auf sein Verlangen ein seinem Anteil an dem bisherigem Grundkapital entsprechender Teil der neuen Aktien zugeteilt werden. Zur Ausübung des Bezugsrechts ist eine Frist von mindestens 2 Wochen zu bestimmen (§ 186 Abs. 1 Satz 2 AktG). Dieses – zwingende – Recht verhindert, dass dem Aktionär automatisch mit einer ordentlichen Kapitalerhöhung seine Beteiligungs- und Stimmrechtsquote beschnitten wird.
Ein Bezugsrecht besteht nicht bei der Kapitalerhöhung anlässlich einer Fusion oder Spaltung (§§ 69 Abs. 1, 142 Abs. 1 UmwG).
Rz. 103
Gem. § 186 Abs. 3 Satz 1 AktG kann das Bezugsrecht zudem ganz oder z.T. durch Beschluss der Hauptversammlung ausgeschlossen werden. Weil nach herrschender Meinung in Rspr. und Literatur durch den Ausschluss der Bezugsrechte ein besonders gravierender Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre erfolgt, muss der Bezugsrechtsausschluss grds. verhältnismäßig sein. Zunächst erachtete die Rspr. einen Ausschluss nur als verhältnismäßig, wenn der Bezugsrechtsausschluss das angemessene und am besten geeignete Mittel zur Verfolgung überwiegender Gesellschaftsinteressen war. Ein Bezugsrechtsausschluss sollte die Ausnahme bleiben. Inzwischen hat die Rspr. ihre Anforderungen gelockert, um die Flexibilität der AG hinreichend zu berücksichtigen. Mittlerweile wird dementsprechend darauf abgestellt, ob das Gesellschaftsinteresse höher zu bewerten ist als das Interesse der betroffenen Aktionäre am Erhalt ihrer Rechtsposition. Folgende Fälle kommen für einen Bezugsrechtsausschluss in Betracht:
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Ausgleich von Spitzenbeträgen, |
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Bedienung von Wandel- und Optionsanleihen, |
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Ausgabe von Belegschaftsaktien, |
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beabsichtigte Zusammenarbeit mit einem anderen Unternehmen, das die Zusammenarbeit von einer (Mehrheits-)Beteiligung abhängig macht (Sanierungszweck), |
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zur Börseneinführung, |
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besondere Situation auf dem Kapitalm... |