Dr. Wolfgang Kürschner, Dr. iur. Sebastian Müller
Rz. 6
Für das Unfallhaftpflichtrecht von besonderer Bedeutung sind Abfindungsvergleiche, insbesondere zwischen Geschädigten und Versicherern des Schädigers.
Regelungsgehalt eines Abfindungsvergleichs kann sein
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die Vereinbarung einer Zahlung zur Abfindung bekannter Ansprüche, z.B. im Wege eines Teil(Abfindungs-)Vergleichs: Alle bisher entstandenen (materiellen und/oder immateriellen) Schäden sollen abgegolten werden; |
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die Vereinbarung einer Kapitalzahlung anstelle einer Rentenzahlung; |
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ein Vergleich, der auch Ansprüche erfasst, die vom Geschädigten noch gar nicht geltend gemacht wurden, auch solche, die er selbst noch gar nicht kannte. Beispiel: Die Verletzte hatte sich endgültig abgefunden erklärt, "auch für alle etwaigen unvorhergesehenen Folgen dieses Schadensfalls". Ihre auf § 242 BGB gestützte Klage erachtete der Bundesgerichtshof für unbegründet, da das Festhalten an diesem Abfindungsvergleich trotz Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin noch keine unzulässige Rechtsausübung darstelle. |
Rz. 7
Soweit sich der Geschädigte die Geltendmachung bestimmter Ansprüche vorbehalten möchte, ist darauf zu achten, dass dieser Vorbehalt im Abfindungsvergleich möglichst klar bezeichnet wird. Um einer Verjährung der vorbehaltenen Ansprüche vorzubeugen, sollte der Geschädigte vom Versicherer ein titelersetzendes Anerkenntnis einholen. Wer bei Abschluss des Abfindungsvergleichs Umstände kennt, aus denen er später eine Gegenforderung gegen den Geschädigten herleiten kann, sollte sich gegebenenfalls das Recht zur Aufrechnung im Abfindungsvergleich vorbehalten. Andernfalls kann die anschließende Aufrechnung gegen § 242 BGB verstoßen.
Rz. 8
Das (frühere) Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen hat Grundsätze zur Zulässigkeit von Abfindungserklärungen aufgestellt. Sie sind auch heute noch inhaltlich von Bedeutung. Danach dürfen Abfindungserklärungen nur dann verlangt werden, wenn ein echter Vergleich im Sinne des § 779 BGB abgeschlossen wird. Die Vertragspartner müssen somit eine endgültige Regelung der aus dem Versicherungsfall bereits entstandenen Entschädigungsansprüche beabsichtigen. Ist ein Anspruch nach Grund und Höhe bewiesen und fällig, so darf die Auszahlung der Entschädigung nicht von der Unterzeichnung einer Abfindungs- oder Verzichtserklärung abhängig gemacht werden. Das gilt auch für fällige Teilleistungen, insbesondere für Ansprüche auf Tage- und Genesungsgeld, auf Heilkostenersatz und Übergangsentschädigung nach den Allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung (AUB), den Allgemeinen Bedingungen für die KFZ-Versicherung (AKB) und den Besonderen Bedingungen für die Versicherung von Krankenhaustagegeld und Genesungsgeld.
Rz. 9
Kein Anspruchsteller ist verpflichtet, sich auch hinsichtlich noch nicht endgültig feststehender oder etwaiger zukünftiger Ansprüche abfinden zu lassen. Kommt eine vergleichsweise Einigung nicht zustande, so darf der Versicherer für geleistete Zahlungen lediglich eine einfache Quittung (§ 368 BGB) verlangen. Wird ein Vergleich abgeschlossen, so muss in seinem Wortlaut klar zum Ausdruck kommen, welche Ansprüche endgültig erledigt werden sollen. Vereinbaren beispielsweise die Vertragspartner einer Gebäudeversicherung in einer Abfindungserklärung, dass alle Ansprüche auf Grund des Feuerschadens endgültig abgefunden werden sollen, können Bewegungs- und Schutzkosten sowie Aufräumungs- und Abbruchkosten von der Abgeltung ausgenommen sein, wenn die Parteien bei der Berechnung der Abfindung nur den reinen Gebäudeschaden im Auge hatten. Gibt der Unfallversicherte nur seine eventuellen weiteren Ansprüche wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit auf oder verzichten die Vertragspartner auf die abschließende Klärung der medizinisch noch offenen Invaliditätsfrage, so muss dies unter Hinweis auf die entsprechenden Bestimmungen der Allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung (AUB) in der Urkunde ausdrücklich festgehalten werden. Die für die vergleichsweise Regelung von Entschädigungsansprüchen verwendeten Vordrucke müssen die Überschrift "Abfindungserklärung" tragen.
Rz. 10
Die Empfangsbestätigung des Versicherungsnehmers oder Geschädigten kann – sofern die Auszahlung des Vergleichsbetrages Zug um Zug erfolgte – in die Abfindungserklärung aufgenommen werden. Die Vergleichs- und Abfindungserklärungen müssen unter anderem beinhalten, dass der Vergleichsbetrag innerhalb einer bestimmten Frist zu zahlen ist und dass nach Ablauf der Frist der Geschädigte nicht mehr an das Vergleichsangebot gebunden ist. Die Vergleichs- und Abfindungserklärungen müssen in eindeutiger Weise den Empfänger der Abfindungsleistung bezeichnen. Abfindungsvergleiche können sich auch auf Teilbereiche des gesamten Schadens beschränken (z.B. Sachschaden, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt entstandener Schaden, Schmerzensgeld usw.). Ein gegenständlicher oder zeitlicher Vorbehalt muss jedoch im Abfindungsvergleich klar formuliert werden. Klar...