Dr. Wolfgang Kürschner, Dr. iur. Sebastian Müller
Rz. 29
Ein Vergleich kann auch wegen Täuschung oder Drohung gem. § 123 BGB angefochten werden. In Betracht kommen z.B. falsche Angaben eines Geschädigten oder wider besseres Wissen abgegebene Erklärungen eines Regulierungsbeauftragten einer Versicherungsgesellschaft. Das Verschweigen von Tatsachen stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine Aufklärungspflicht bestand. Entscheidend ist dabei, ob der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicher Weise Aufklärung erwarten durfte. Grundsätzlich ist es Sache jeder Partei, ihre eigenen Interessen selbst wahrzunehmen. Daher besteht keine allgemeine Pflicht, alle Umstände zu offenbaren, die für die Entschließung des anderen Teils von Bedeutung sein können. Entsprechende Fragen muss der Verhandelnde allerdings immer richtig und vollständig beantworten. So können beispielsweise auch auf Fragen erteilte Auskünfte über die Rechtslage die Anfechtung begründen, wenn dem Geschädigten Unrichtiges mitgeteilt wird, wie z.B., der Halter des Kraftfahrzeugs hafte nur bei grobem Verschulden oder das Gesetz kenne keine Hinterbliebenenentschädigung. Gegebenenfalls hat der Versicherer auch für ein Verschulden seines Agenten beim Vertragsschluss einzustehen.
Rz. 30
Erforderlich ist ein Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und Vergleichsabschluss, an dem es fehlt, wenn der Getäuschte den Vergleich ohne die Täuschung in gleicher Form abgeschlossen hätte. Der Kausalzusammenhang ist aber zu bejahen, wenn die getäuschte Partei nur mit einer Täuschung in einem bestimmten Umfang rechnete, die Täuschung aber wesentlich weiter ging. Umstritten ist, ob eine Anfechtung wegen Drohung begründet ist, wenn ein Gerichtsvorsitzender auf einen Vergleich mit der Drohung hinwirkt, andernfalls werde ohne erneute Beratung ein ungünstiges Urteil ergehen. Jedenfalls zeigt diese Konstellation, dass eine widerrechtliche Drohung auch von Dritten ausgehen kann.