Dr. Wolfgang Kürschner, Dr. iur. Sebastian Müller
Rz. 62
Verbindliche gerichtliche Einigungen im Sinne des §§ 46 ff. ZPO-DDR wurden nach dem Einigungsvertrag Prozessvergleichen im Sinne des § 794 Nr. 1 ZPO gleichgestellt und sind weiterhin vollstreckbar.
Rz. 63
Ein außergerichtlicher Vergleich, den Rechtsanwälte im Namen und mit Vollmacht der von ihnen vertretenen Parteien geschlossen haben, sog. Anwaltsvergleich, kann unter den Voraussetzungen der §§ 796a ff. ZPO für vollstreckbar erklärt werden.
Rz. 64
Nach dem bis zum 1.9.2009 geltenden Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit gab es den verfahrensbeendenden Vergleich in Umgangs- und Kindesherausgabesachen nicht. Den beteiligten Eltern fehlte in diesen und in allen anderen Kindschaftssachen, wie im Übrigen auch noch nach der gegenwärtigen Rechtslage, die Dispositionsbefugnis über die einschlägigen Verfahrensgegenstände. Das FamFG lässt in seinem § 156 Abs. 2 für zwei große Bereiche von Kindschaftssachen, diejenigen des Umgangs und der Kindesherausgabe, erstmals umfassend den Abschluss von gerichtlich gebilligten Vergleichen zu.
Rz. 65
Das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vom 21.7.2012 sieht die Einführung eines eigenständigen Mediationsgesetzes vor. Durch das MediationsFöG wurde neu die Vorschrift des § 278a ZPO (Mediation, außergerichtliche Konfliktbeilegung) eingefügt: Nach § 278a Abs. 1 ZPO kann das Gericht den Parteien eine Mediation oder ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorschlagen. Entscheiden sich die Parteien zur Durchführung einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung, ordnet das Gericht das Ruhen des Verfahrens an (§ 278a Abs. 2 ZPO). Wie jeder andere außergerichtliche Vergleich hat auch eine Einigung in einem Mediationsverfahren keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Zivilrechtsstreit, eröffnet jedoch die Möglichkeit, den Rechtstreit für erledigt zu erklären. Lässt der Erbe einer Partei, der ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt war, lediglich nach § 278a ZPO einen Vergleich protokollieren, der die Hauptsache erledigt, und erwirkt anschließend eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO, so haftet er nach einer Entscheidung des OLG Koblenz nicht für Gerichtskosten, weil keine ausscheidbaren weiteren gerichtlichen Kosten entstanden sind.
Rz. 66
Soweit es sich um Antragsdelikte handelt, ist ein zivilrechtlicher Vergleich auch zur Abwendung eines Strafverfahrens zulässig, wobei die Frage der Sittenwidrigkeit genau zu prüfen ist. Aus einem Vergleich, in dem eine Partei sich zur Rücknahme des Strafantrags verpflichtet hat, kann auch auf Erfüllung geklagt werden.
Rz. 67
Im Adhäsionsverfahren kann ein Vergleich geschlossen und protokolliert werden. Gemäß § 405 Abs. 1 StPO nimmt das Strafgericht auf Antrag des Verletzten oder seines Erben und des Angeklagten einen Vergleich über die aus der Straftat erwachsenen Ansprüche in das Protokoll auf. Es soll auf übereinstimmenden Antrag der Genannten einen Vergleichsvorschlag unterbreiten. Für die Entscheidung über Einwendungen gegen die Rechtswirksamkeit des Vergleichs ist gem. § 405 Abs. 2 StPO das Gericht der bürgerlichen Rechtspflege zuständig, in dessen Bezirk das Strafgericht des ersten Rechtszuges seinen Sitz hat.
Rz. 68
Sogenannte Verständigungen im Strafverfahren (zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten) stellen keine Vergleiche im Sinne des § 779 BGB dar. Das im Grundgesetz verankerte Schuldprinzip und die mit ihm verbundene Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit sowie der Grundsatz des fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens, die Unschuldsvermutung und die Neutralitätspflicht des Gerichts schließen es aus, die Handhabung der Wahrheitserforschung, die rechtliche Subsumtion und die Grundsätze der Strafzumessung zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts zu stellen. Mit den Vorschriften des Verständigungsgesetzes (Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29.7.2009 hat die begrenzte Zulassung von Verständigungen im Strafverfahren eine abschließende Regelung erfahren. Außerhalb des gesetzlichen Regelungskonzepts erfolgende sog. informelle Absprachen sind unzulässig.