Dr. iur. Berthold Hilderink
Rz. 26
§ 2 KSchG regelt grds. nur die ordentliche Änderungskündigung. Dies folgt insb. aus § 2 S. 2 KSchG, nachdem der Arbeitnehmer seinen Vorbehalt dem Arbeitgeber "innerhalb der Kündigungsfrist" erklären muss und somit offensichtlich vom Gesetz eine ordentliche Kündigung vorausgesetzt wird.
Rz. 27
Bei der ordentlichen Änderungskündigung muss der Arbeitgeber die vertragliche Kündigungsfrist einhalten. Die Vertragsbedingungen ändern sich erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, soweit der Arbeitnehmer die Änderungskündigung akzeptiert oder unter Vorbehalt annimmt. Eine Verkürzung der Änderungsfrist würde eine unzulässige Verkürzung der Kündigungsfrist darstellen und ist daher unzulässig. Allerdings können die Parteien sich einvernehmlich auf die vorzeitige Aufnahme der Tätigkeit zu den geänderten Bedingungen einigen. Seit dem 1.5.2000 bedarf die Änderungskündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (§ 623 BGB).
Rz. 28
Nimmt der Arbeitnehmer die Änderungskündigung unter Vorbehalt an und erhebt er Klage, kann der Arbeitgeber ihn nach Ablauf der Kündigungsfrist während des schwebenden Gerichtsverfahrens bis zur Rechtskraft der Entscheidung zu den geänderten Bedingungen zu beschäftigen. Der Arbeitnehmer kann also nicht bereits nach einem obsiegenden erstinstanzlichen Urteil verlangen, wieder zu den alten Bedingungen beschäftigt zu werden (Ascheid/Preis/Schmidt/Künzl, § 2 KSchG Rn 232). Er ist an seinen erklärten Vorbehalt gebunden und kann daher weder den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch noch den Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG geltend machen (BAG v. 27.2.1985, EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9; BAG v. 18.1.1990, AP KSchG 1969 § 2 Rn 27). Beide würden dem Sinn des § 2 KSchG zuwiderlaufen. Mit der Annahme der Änderungskündigung unter Vorbehalt erklärt sich der Arbeitnehmer gerade einverstanden, zunächst zu den geänderten Vertragsbedingungen zu arbeiten, bis die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung geklärt ist (BAG v. 18.1.1990, AP KSchG 1969 § 2 Rn 27).
Rz. 29
Die Änderungskündigung steht unter dem Vorbehalt, dass sie sozial gerechtfertigt ist. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen anzubieten, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (BAG v. 18.5.2017 – 2 AZR 606/16, Rn 11; BAG v. 2.3.2017 – 2 AZR 546/16, Rn 19; BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 812/12, Rn 24; BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 396/12, Rn 16; BAG v. 23.2.2012 – 2 AZR 44/11, Rn 34). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat (BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 812/12, Rn 24; BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 396/12, Rn 16; BAG v. 23.2.2012 – 2 AZR 44/11, Rn 34; BAG v. 16.12.2010, NJOZ 2011, 1376, 1379; BAG v. 15.1.2009, AP Nr. 141 zu § 2 KSchG 1969 Rn 14).
Rz. 30
Im Rahmen von § 1 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 2 KSchG ist zu prüfen, ob ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und dem Arbeitnehmer bei Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die am wenigsten beeinträchtigende Änderung angeboten wurde (BAG v. 18.5.2017 – 2 AZR 606/16, Rn 11; BAG v. 2.3.2017 – 2 AZR 546/16, Rn 19; BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 812/12, Rn 24; BAG v. 16.12.2010, NJOZ 2011, 1376, 1379; BAG v. 8.10.2009, AP Nr. 143 zu § 2 KSchG 1969 Rn 17; BAG v. 15.1.2009 AP Nr. 141 zu § 2 KSchG 1969 Rn 13 f.). Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen (BAG v. 18.5.2017 – 2 AZR 606/16, Rn 11; BAG v. 2.3.2017 – 2 AZR 546/16, Rn 19). Diese Voraussetzungen müssen für alle vorgesehenen Änderungen vorliegen (BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 812/12, Rn 24).
Rz. 31
Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG v. 18.5.2017 – 2 AZR 606/16, Rn 11; BAG v. 2.3.2017 – 2 AZR 546/16, Rn 19; BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 680/14, Rn 13; BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 812/12, Rn 24; BAG v. 20.6.2013, 2 AZR 396/12, Rn 17; BAG v. 16.12.2010, NJOZ 2011, 1376, 1379; BAG v. 26.3.2009, AP Nr. 57 zu § 9 KSchG 1969 Rn 51 ff.; BAG v. 15.1.2009 – 2 AZR 641/07, Rn 15; zur sozialen Rechtfertigung einer Änderungskündigung zur nachträglichen Befristung eines ursprünglich unbefristet abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses vgl. § 17 Rdn 251).
Rz. 32
Bei der Gestaltung des Anforderungsprofils für einen Arbeitsplatz ist zu beachten, dass diese grundsätzlich der freien "unternehmerischen" Disposition des Arbeitgebers unterliegt (BAG v. 2.3.2017 – 2 AZR 546/16, Rn 23). Das Ansinnen des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten – nach Möglichkeit – von Arbeitnehmern mit einer bestimmten Qualifikation ausführen zu lassen, ist grundsätzlich zu akzeptieren (BAG v. 2.3.2017 – 2 AZR 546/16, Rn 23). Die Vorgabe kann von den Arbeitsgerichten nur...