Rz. 24
Das Arbeitsverhältnis ist auf Antrag des Arbeitgebers durch das Gericht gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen (§ 9 Abs. 1 S. 2 KSchG). Voraussetzung ist die Prognose einer schweren Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses der Parteien. Auch wenn das BAG betont, dass die Gründe nicht zwingend im Verhalten des Arbeitnehmers liegen müssen, kommen in der Praxis regelmäßig nur Umstände in Betracht, die sich aus dem Verhalten des Arbeitnehmers vor oder nach der Kündigung ergeben und das Verhältnis des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber bzw. zu Mitarbeitern des Arbeitgebers betreffen. Es ist dabei nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer hinsichtlich der Auflösungsgründe schuldhaft gehandelt hat.
Rz. 25
Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen sind als Auflösungsgrund geeignet. Das gilt besonders dann, wenn der Arbeitnehmer diese Äußerungen in der Öffentlichkeit getätigt hat. Hingegen sollen Äußerungen in Gesprächen unter Arbeitskollegen nach Auffassung des BAG Vertraulichkeit in Anspruch nehmen können, da der Erfahrungssatz gelte, dass angreifbare Bemerkungen über Vorgesetzte im kleineren Kollegenkreis in der sicheren Erwartung geäußert würden, sie würden nicht über den Kreis der Gesprächsteilnehmer hinaus dringen; solche Äußerungen sollen weder zur Rechtfertigung einer Kündigung noch eines Auflösungsantrages dienen können. Bei der Beurteilung, ob aufgrund von Äußerungen des Arbeitnehmers eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber nicht mehr zu erwarten steht, sind die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, zu beachten. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit wird beschränkt durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre. Mit diesen muss es ggf. in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Der Arbeitgeber kann sich auf Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers i.S.v. § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG auch dann berufen, wenn er zu den entstandenen Spannungen mit beigetragen hat. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn seine Anteile an den Ursachen der Spannungen überwiegen oder er die Auflösungsgründe geradezu provoziert hat.
Ein beleidigendes Verhalten des Arbeitnehmers kann einen Auflösungsantrag grundsätzlich auch dann rechtfertigen, wenn es im Prozess geschieht. Auch Äußerungen des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzrechtsstreit können die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen. Dies gilt auch für nicht vom Arbeitnehmer veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht hiervon distanziert. Das persönliche Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien kann auch dadurch belastet werden, dass ein Arbeitnehmer sich seines Bevollmächtigten im Prozess bedient, um den Arbeitgeber durch unfaire und herabsetzende Erklärungen anzugreifen und sich gleichzeitig hinter ihm zu verstecken. Jedoch ist bei alledem zu berücksichtigen, dass die Parteien zur Verteidigung von Rechten in einem Prozess alles vortragen dürfen, was als rechts-, einwendungs- und einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann. Verfahrensbeteiligte dürfen auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um ihre Rechtsposition zu unterstreichen. Die Parteien dürfen nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt. Bewusst wahrheitswidriger Prozessvortrag eines Arbeitnehmers in einem Kündigungsrechtsstreit, den dieser hält, weil er befürchtet, mit wahrheitsgemäßen Angaben den Prozess zu verlieren, ist geeignet, eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. § 9 Abs. 1 S. 2, § 10 KSchG zu rechtfertigen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der wahrheitswidrige Vortrag letztlich für das Gericht entscheidungserheblich ist. Ausreichend ist, dass er es hätte sein können. Hingegen reichen wirtschaftliche Schwierigkeiten des Arbeitgebers oder andere Umstände, die sich allein aus dem Betrieb ergeben und zum Arbeitnehmer selbst keinen Bezug haben, als Auflösungsgrund nicht aus. Auch die Charakterisierung des Arbeitnehmers als "unehrlich" und als jemand, der in Verfolgung eigener Interessen "Grenzen überschreite", korrespondiert nicht ausreichend mit den gesetzlichen Anforderungen an einen Auflösungsgrund. Störungen des erforderlichen Vertrauens, die der weiteren wechselseitigen Erfüllung der Vertragspflichten und dem Zusammenwirken zum Wohl des Betriebs entgegenstünden, müssen sich in greifbaren Tatsachen niederschlagen.
Rz. 26
Ein arbeitgeberseitiger Auflösungsantrag lässt sich allein durch die Geltendmachung von tendenzbedingten Gründen nicht rechtfertigen. Der Tendenzschutz, den ein Presseunte...