Rz. 154
Mit Einführung der EuErbVO zum 17.8.2015 wurde § 2369 BGB, in welchem der Fremdrechtserbschein bis dahin geregelt war, aufgehoben. Für Altfälle gilt er jedoch gemäß Art. 229 § 36 EGBGB weiterhin. Da die EuErbVO erst seit dem 17.82015 in Kraft ist, besitzt der § 2369 BGB a.F. noch immer Praxisrelevanz. Im Übrigen wird es auch in Zukunft Fallkonstellationen geben, in denen sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach ausländischem Recht richtet und deshalb in einem deutschen Erbschein fremdes Recht auszuweisen ist. Die Regelung des § 2369 BGB a.F. ist demzufolge wortgleich in den § 352c FamFG übernommen worden.
1. Abgrenzung zum Europäischen Nachlasszeugnis
Rz. 155
Wie bereits mehrfach erwähnt, ist das ENZ nicht der Nachfolger des deutschen Erbscheins. Vielmehr stehen die beiden Zertifikate nebeneinander. Für einen rein inländischen Nachlass wird es auch in Zukunft kein Bedürfnis für die Beantragung eines ENZ geben. Zugegebenermaßen ist der Anwendungsbereich des § 352c FamFG durch das in der EuErbVO kodifizierte Nachlasszeugnis in Cross-Border-Fragestellungen eingeschränkt worden, wenn die Erben aus dem Ausland kommen und der Erblasser im Ausland lebte. Diese Erben werden zukünftig die Nachlassabwicklung im Inland mit dem ENZ und nicht mehr, wie vor dem 17.8.2015 oftmals erforderlich, mit einem territorial beschränkten deutschen Erbschein arbeiten.
Beispiel: Erforderlichkeit eines Fremdrechtserbscheins
Ein Franzose errichtet im Inland eine letztwillige Verfügung von Todes wegen. Nachlassvermögen befindet sich jedoch nur in Deutschland. In seiner letztwilligen Verfügung von Todes wegen bestimmt der Erblasser jedoch gem. Art. 22 EuErbVO, dass sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen ausschließlich nach dem Recht seiner Heimatlandes richten soll. Aufgrund der Höhe des Vermögen, sowie des Umstandes, dass der Erblasser auch Immobilien im Inland besitzt, muss ein Erbschein zum Nachweis der Erbfolge beantragt werden. Da der Erblasser jedoch kein Auslandsvermögen besitzt, ist die Beantragung eines ENZ schlichtweg nicht erforderlich. Ausreichend ist in diesem Fall die Beantragung eines inländischen Erbscheins, welcher das anzuwendende fremde Recht ausweist.
Rz. 156
Wurde oder wird ein sogenannter "Fremdrechtserbschein" erteilt, so ist neben den Erben und der oben erwähnten gegenständlichen Beschränkung auch das ausländische anzuwendende Erbrecht anzugeben. Strittig war die Frage, ob auch ausländische Erbinstitute im Erbschein mit aufzunehmen sind. Klassische Beispiele werden im Folgenden aufgeführt:
a) Noterbenrecht
Rz. 157
In den meisten südeuropäischen Ländern ist das Pflichtteilsrecht als echtes Noterbenrecht ausgestaltet. In einigen Ländern ist die testamentarische Verfügung gerichtlich durch eine Herabsetzungsklage zu kürzen. Ist eine solche Klage durchzuführen, so ist nach erfolgter gerichtlicher Herabsetzung der Noterbe im Erbschein als Erbe aufzuführen. Sie sind Erben und nicht bloße Nachlassgläubiger. Deshalb ist ein Erbschein unter Angaben der Noterben mit ihren Quoten zu erteilen. Ist die Klage noch nicht erhoben, aber noch möglich, so ist der Noterbe zwar nicht als Erbe im Erbschein aufzunehmen, jedoch ist zu vermerken, dass die Herabsetzungsklage noch möglich ist. Dies ist gleich einer Verfügungsbeschränkung einzutragen. Ist zur Durchsetzung des Noterbenrechts keine Herabsetzungsklage erforderlich, so ist nach Geltendmachung der enterbte Noterbe im Erbschein aufzuführen. Ist die Geltendmachung formlos möglich, so kann die Geltendmachung auch in der Beantragung eines Erbscheins liegen.
b) Nießbrauchsrecht des Ehegatten
Rz. 158
Das Ehegattennießbrauchsrecht ist im romanischen Rechtskreis noch verbreitet. Ob es in einem deutschen Erbschein als Verfügungsbeschränkung Erwähnung finden sollte, war lange Zeit umstritten. Wirkt es als Verfügungsbeschränkung und entsteht es unmittelbar mit dem Erbfall z.B. in Form eines Vindikationslegat (wie z.B. in Belgien), so soll es im Erbschein aufgeführt werden. Die Rechtsprechung lehnte die Aufnahme im Erbschein jedoch stets ab, da das deutsche Recht die Wirkung eines fremden Vindikationslegats nicht kennt. Hat der überlebende Ehegatte ein Wahlrecht zwischen einem Nießbrauchsrecht oder einer Miterbenstellung, so empfiehlt es sich, solange das Wahlrecht noch nicht ausgeübt wurde, dies im Erbschein entsprechend zu vermerken. Hier bringt das ENZ eine Verbesserung mit sich, da in diesem auf das bestehende Ehegattenerbrecht, auch in Form eines Nießbrauchsrechts, hingewiesen werden soll.