Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
a) Doppelte Wissenskomponente
Rz. 91
Über die Beziehung des Zuwendungsempfängers zum Heimträger hinaus sind subjektive Tatbestandsvoraussetzungen zu erfüllen: Der Heimbewohner muss seinerseits Kenntnis davon erlangt haben, dass der Bedachte von der letztwilligen Verfügung weiß, damit er (der Heimbewohner) daraus den Schluss ziehen kann, der Bedachte sei mit der Zuwendung einverstanden. Dies wird als "doppelte Wissenskomponente" bezeichnet.
Rz. 92
Die Rechtsprechung lässt es genügen, wenn sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass der Erblasser als Testator einerseits und der Zuwendungsempfänger andererseits von der betreffenden Verfügung Kenntnis haben. Eine Leistung lässt sich der Verbotsadressat versprechen oder gewähren, wenn sie im Einvernehmen zwischen dem Bewohner und dem durch die Zuwendung bedachten Mitarbeiter erfolgt. Das bedeutet, dass der Bedachte Kenntnis von der ihn betreffenden Zuwendung haben muss und der Heimbewohner seinerseits um das Wissen des Bedachten weiß. Ein derart hergestelltes Einvernehmen zwischen dem Heimbewohner und dem durch die Zuwendung Bedachten bedarf keiner ausdrücklichen Erklärungen, es kann auch aus den Gesamtumständen geschlossen werden.
b) Vermutung der Kenntnis
Rz. 93
Ein solches Einvernehmen bzw. die Kenntnis wird vermutet, wenn der Zuwendungsempfänger Kenntnis von der letztwilligen Verfügung erlangt hat, wobei es nicht darauf ankommt, ob eine solche Kenntnis bereits bei Errichtung der Verfügung von Todes wegen bestanden hat. Es genügt auch jede spätere Kenntniserlangung vor dem Erbfall. Am Einvernehmen fehlt es, wenn weder der Heimträger noch ein Wissensvertreter zu Lebzeiten des Erblassers etwas von der Verfügung von Todes wegen erfahren haben. Erlangt der Heimträger oder ein Wissensvertreter daher erst nach dem Erbfall Kenntnis von der Verfügung, ist die letztwillige Verfügung nicht nach § 14 HeimG unwirksam. Die Beweislast für die Kenntnis des Heimträgers, der bedachten Person oder eines Wissensvertreters trägt derjenige, der sich auf die Unwirksamkeit der Verfügung beruft.
c) Stilles Testament (keine Kenntnis des Zuwendungsempfängers)
Rz. 94
Allerdings: Das Testament des Angehörigen eines Heimbewohners, mit dem der Heimträger zum Nacherben eingesetzt wird und von dem dieser erst nach dem Tode des Erblassers erfährt, ist nicht nach § 14 HeimG i.V.m. § 134 BGB unwirksam.
Rz. 95
In dem vom BGH am 26.11.2011 entschiedenen Fall hatte der Erblasser ein sog. Behindertentestament errichtet.
Fall
Der Sohn des verwitweten Erblassers, dessen einziges Kind, war schwer behindert und lebte in einer Einrichtung, die Wohnheime und Tagesförderstätten für Menschen mit schwerer Behinderung umfasst. In einem notariellen Testament setzte der Erblasser seinen Sohn zu seinem nicht befreiten Vorerben und die Einrichtung zum Nacherben sowie zum Ersatzerben ein. Über dieses Testament wurde der Heimträger erst nach dem Tode des Erblassers informiert. Der Sohn hat nach dem Tode seines Vaters die Erteilung eines Erbscheins des Inhalts beantragt, dass er unbeschränkter Alleinerbe geworden sei, weil die Einsetzung des Heimes gegen § 14 HeimG verstoße und deshalb gem. § 134 BGB (gesetzliches Verbot) nichtig sei.
Rz. 96
Sowohl Nachlassgericht als auch Landgericht (Beschwerdegericht nach dem bis 31.8.2009 geltenden FGG) wiesen den Erbscheinsantrag zurück. Das nach Einlegung der weiteren Beschwerde zuständige OLG legte die Sache dem BGH zur Entscheidung vor, weil das OLG von einer Entscheidung des OLG München abweichen wollte.
In einer Entscheidung aus dem Jahr 1996 hatte der BGH die Nichtigkeit eines Testaments eines Heimbewohners allein mit der Kenntnis der dort Bedachten bzw. ihrer Wissensvertreter begründet.
Allerdings war nicht der Heimbewohner in dem vom BGH zu entscheidenden Fall der zuwendende Erblasser, sondern der Vater des Heimbewohners, der als Erblasser dem Heimträger eine letztwillige Zuwendung gemacht hat.
Rz. 97
Der BGH stellte Heimbewohner und seinen Angehörigen gleich:
Zitat
"Dies ist (…) jedenfalls nicht dann anders zu beurteilen, wenn das den Heimträger begünstigende Testament nicht vom Heimbewohner, sondern von einem seiner Angehörigen stammt und der Heimbewohner nach dem Tode des Erblassers weiterhin im Heim des Trägers lebt."
Rz. 98
Der BGH zu den Grenzen des § 14 HeimG:
Zitat
"Ein Eingreifen des an den Heimträger gerichteten Verbots setzt voraus, dass dieser sich etwas "versprechen oder gewähren" lässt. Eine einseitige Willenserklärung oder Betätigung des Gebers genügt mithin nicht; es muss eine Annahmeerkl...