Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
1. Erstberichtigung des Grundbuchs
Rz. 162
Nach Eintritt des Erbfalls kann eine Grundbuchberichtigung vorgenommen worden sein, die sich nachträglich als unrichtig herausstellt, weil ein unrichtiger Erbschein bspw. aufgrund eines ungültigen Testaments erteilt worden war.
Beispiel
Erblasser E hat ein Testament hinterlassen, wonach A zum Alleinerben eingesetzt wurde; die Kinder K1 und K2 sind enterbt und deshalb lediglich pflichtteilsberechtigt. A erhält vom Nachlassgericht einen Erbschein über sein Alleinerbrecht und lässt sich im Wege der Grundbuchberichtigung als Alleineigentümer des Grundbesitzes des Erblassers im Grundbuch eintragen. Danach erfahren K1 und K2 von Umständen über den Gesundheitszustand des Erblassers, die nach ihrer Meinung den Schluss zulassen, der Erblasser sei im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig gewesen und sie seien deshalb gesetzliche Erben geworden. Sie beantragen beim Nachlassgericht die Einziehung des für A erteilten Erbscheins und die Neuerteilung eines Erbscheins, wonach sie beide je zur Hälfte gesetzliche Erben geworden sind.
Im Grundbuch muss nunmehr die auf A vorgenommene Grundbuchberichtigung beseitigt, K1 und K2 müssen – wiederum im Wege der Grundbuchberichtigung – als wahre Eigentümer eingetragen werden. Dazu legen K1 und K2 je eine Ausfertigung des Erbscheinseinziehungsbeschlusses und des neuen Erbscheins vor. Alle Ausfertigungen des ersten – unrichtigen – Erbscheins müssen vom Nachlassgericht zurückgefordert werden.
2. Zweitberichtigung des Grundbuchs
a) Einziehung des unrichtigen Erbscheins und Neuerteilung eines richtigen Erbscheins
Rz. 163
Wird ein unrichtiger Erbschein eingezogen und ein neuer erteilt, der die Erbfolge nunmehr anders ausweist, ist die ursprünglich vorgenommene Grundbuchberichtigung durch eine Zweitberichtigung zu korrigieren.
Das Verfahren auf Einziehung eines unrichtigen Erbscheins und Neuerteilung eines anderslautenden Erbscheins kommt demnach im vorhergehenden Beispiel (siehe Rdn 162) als Alternative zur Grundbuchberichtigungsklage von K1 und K2 gegen A in Betracht. Die Grundbuchberichtigungsklage bezieht sich lediglich auf ein konkretes Grundstück, während das Erbscheinsverfahren die Erbfolge als Ganze in den gesamten Nachlass betrifft. Das Erbscheinsverfahren einschließlich Erbscheinseinziehungsverfahren unterliegt dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 2361 BGB, § 353 FamFG; das kann im Einzelfall von Vorteil sein.
Rz. 164
Zieht das Nachlassgericht den unrichtigen Erbschein ein, hat es alle erteilten Ausfertigungen zurückzufordern, weil die Ausfertigung im Rechtsverkehr die Urschrift ersetzt, § 47 BeurkG. Können nicht alle Ausfertigungen zurückerlangt werden, ist der Erbschein nach § 2361 BGB, § 353 FamFG für kraftlos zu erklären.
b) Zu beachtende evtl. Ersitzung
Rz. 165
Soll eine Eigentümereintragung, die auf einem erteilten Erbschein beruht, berichtigt werden, nachdem dieser Erbschein eingezogen und ein neuer Erbschein anderen Inhalts erteilt worden ist, muss das Grundbuchamt eine Berichtigungsbewilligung des eingetragenen Eigentümers anfordern, wenn infolge des Zeitablaufs die Möglichkeit in Betracht zu ziehen ist, dass der eingetragene Buchberechtigte das Eigentum zwischenzeitlich durch Ersitzung (§ 900 BGB) erworben haben könnte. Bereits die an die Eigentümereintragung anknüpfende Vermutung des Eigenbesitzes reicht aus, um den Eintritt der Ersitzung als hinreichend glaubhaft anzusehen mit der Folge, dass gegen die ohne Bewilligung des eingetragenen Berechtigten erfolgte Berichtigung ein Amtswiderspruch einzutragen ist.