Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
1. Testierfähigkeit
a) Allgemeines
Rz. 21
Die Frage, ob die Voraussetzungen der Testierfähigkeit bei Testamentserrichtung vorlagen, ist im Wesentlichen tatsächlicher Natur.
Die Testierfähigkeit setzt nach allgemeiner Meinung die Vorstellung des Testierenden voraus, dass er ein Testament errichtet und dass er eine Vorstellung davon hat, welchen Inhalt die darin enthaltenen letztwilligen Verfügungen aufweisen. Er muss in der Lage sein, sich ein klares Urteil zur Tragweite seiner Anordnungen zu bilden, insbesondere welche Wirkungen sie auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen ausüben. Das schließt auch die Gründe ein, welche für und gegen die Anordnungen sprechen. Nach seinem so gebildeten Urteil muss der Testierende grundsätzlich frei von Einflüssen Dritter handeln können. Das schließt nicht aus, dass er Anregungen Dritter aufnimmt und sie kraft eigenen Entschlusses in seiner letztwilligen Verfügung umsetzt.
Rz. 22
Eine Auskunftspflicht unter Miterben über Umstände, die die Testierunfähigkeit begründen könnten, besteht nicht.
b) Beweislast
Rz. 23
Allgemein gilt für die Beweislast: Wer einen Anspruch geltend macht, muss das Risiko des Prozessverlustes tragen, wenn sich die sein Begehren tragenden Tatsachen nicht feststellen lassen. Er muss deshalb grundsätzlich alle anspruchsbegründenden Tatsachen behaupten und im Bestreitensfall beweisen. Die volle Beweislast trägt derjenige, der sich auf die Testierunfähigkeit beruft. Bis zum vollen Beweis des Gegenteils ist der Erblasser als testierfähig zu betrachten. Dies gilt sogar für einen unter Betreuung stehenden Erblasser. Bloße Zweifel genügen nicht zur Feststellung der Testierunfähigkeit.
Rz. 24
Bei der Feststellung der Testierunfähigkeit kann u.U. ein Anscheinsbeweis in Betracht kommen, wenn die Testierunfähigkeit vor und nach der Testamentserrichtung festgestellt wurde. Kann jedoch die Möglichkeit eines lichten Augenblicks des Erblassers nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, so scheidet ein derartiger Anscheinsbeweis wieder aus.
Rz. 25
Aber: Wer wegen Geistesschwäche zunächst entmündigt war und sodann unter Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge stand, kann dennoch testierfähig gewesen sein, insbesondere dann, wenn er lediglich unter einer Lernschwäche gelitten hat.
Rz. 26
Das BayObLG zur Testierunfähigkeit:
Zitat
"Nach § 2229 IV BGB ist testierunfähig, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Das Gesetz verbindet danach nicht mit jeder Geisteskrankheit oder -schwäche die Testierunfähigkeit, sondern sieht die Fähigkeit, die Bedeutung der letztwilligen Verfügung zu erkennen und sich bei seiner Entschließung von normalen Erwägungen leiten zu lassen, als maßgebend an. Eine geistige Erkrankung des Erblassers steht der Gültigkeit seiner letztwilligen Verfügung nicht entgegen, wenn diese mit der Erkrankung nicht in Verbindung steht, von ihr nicht beeinflusst ist (BayObLGZ 2, 403, 406; Staudinger/Baumann, BGB, 13. Bearb., § 2229 Rn 16, 27). Aufgabe des zur Beurteilung der Testierfähigkeit hinzugezogenen psychiatrischen Sachverständigen ist es daher nicht nur, den medizinischen Befund einer Geisteskrankheit oder -schwäche festzustellen, sondern vor allem deren Auswirkung auf die Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit des Erblassers abzuklären (BayObLGZ 1985, 314, 315). Entscheidend ist, ob die psychischen Funktionen des Auffassens, des Urteilens und des kritischen Stellungnehmens durch die Geisteskrankheit oder -schwäche so sehr beeinträchtigt sind, dass der Erblasser nicht mehr fähig ist, die Bedeutung seiner letztwilligen Verfügung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (BGH, FamRZ 1958, 127, 128). (…) Der objektivierbare Befund einer Geisteskrankheit reicht (…) für sich allein nicht aus, um schon daraufhin den Erblasser für testierunfähig zu erklären. (…) Für die Beurteilung entscheidend ist nicht die Diagnose einer organischen Störung, sondern Grad und Ausmaß der nachweisbaren psychopathologischen Auffälligkeiten. Eine diagnostische Zuordnung allein genügt daher nicht; es kommt vielmehr auf Ausmaß und Intensität der psychischen Störung an."
Rz. 27
Fazit
Die Beweislast für die Testierunfähigkeit trifft im Rechtsstreit denjenigen, der sie behauptet.