Rz. 31
Der Nießbraucher ist berechtigt, die Nutzungen aus dem nießbrauchsbelasteten Gesellschaftsanteil zu ziehen (§§ 1068 Abs. 2, 1030 Abs. 1 i.V.m. §§ 99 Abs. 2 und 3, 100 BGB). Dazu zählen die Gewinnanteile als Rechtsfrüchte. Allerdings hat der Nießbraucher nach herrschender Meinung nur insofern einen Anspruch auf den Gewinnanteil, soweit es sich um den gesellschaftsrechtlich entnahmefähigen Gewinnanteil des Gesellschafters handelt, da dem Nießbraucher nur die Erträge des Rechts und nicht schlechthin die Gewinne des Unternehmens zustehen.
Solange und soweit die Gesellschafter nicht die Ausschüttung beschließen, ist der Gewinn für den Nießbraucher ebenso wenig wie für den Gesellschafter verfügbar und daher nicht als "bestimmungsgemäßer Ertrag" anzusehen. Die nicht zur Entnahme bestimmten Gewinnanteile stehen dem Nießbraucher nach den gesetzlichen Bestimmungen daher nicht zu. Auch bei einer Beendigung des Nießbrauchs stehen nach herrschender Meinung dem Nießbraucher keine Ansprüche in Bezug auf die während der Dauer des Nießbrauchs gebildeten, aber nicht entnahmefähigen Gewinnansprüche zu.
Rz. 32
Der entnahmefähige Gewinnanteil bestimmt sich dabei, sofern keine abweichenden Vereinbarungen getroffen wurden, nach dem handelsbilanziell ausgewiesenen Gewinn, in der Höhe, wie er durch Gesellschaftsvertrag oder Beschluss zur Entnahme vorgesehen ist.
Wird in der Nießbrauchsvereinbarung anstelle des handelsbilanziellen Gewinns auf das steuerbilanzielle Ergebnis abgestellt, kann – sofern das steuerbilanzielle Ergebnis höher ausfällt als das handelsbilanzielle Ergebnis – der Gesellschafter zu Entnahmen gezwungen sein, die das handelsrechtlich zulässige Maß übersteigen und damit seine Haftung gemäß § 172 Abs. 4 HGB wiederaufleben lassen.
Rz. 33
Der Nießbraucher hat nur Anspruch auf die Gewinne, die während der Dauer des Nießbrauchs entstanden und entnahmefähig geworden sind. Rücklagen, die aus Gewinnen resultieren, die vor der Nießbrauchsbestellung erwirtschaftet wurden, stehen auch dann nur dem Gesellschafter zu, wenn sie während der Dauer des Nießbrauchs aufgelöst werden. Dies löst ggf. Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Frage aus, zu welchem Zeitpunkt welche "konkrete" Rücklage gebildet wurde. Abweichende Vereinbarungen sind hier zulässig und sinnvoll (zur dinglichen Wirkung siehe Rdn 34)
Praxishinweis
Für den Nießbraucher ist es daher wichtig, sich mit den gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen im Hinblick auf Thesaurierungsregelungen und möglichen Beschränkungen der Entnahmerechte vertraut zu machen. Sofern die Gesellschafterversammlung abschließend über Thesaurierung und Entnahmeberechtigung entscheidet, ist der Gesellschafter verpflichtet, die Rechte des Nießbrauchers zu schützen und für eine weitgehende Ausschüttung zu stimmen. Diesbezüglich ist eine klarstellende vertragliche Regelung empfehlenswert. Ebenso ist, insbesondere in Fällen des Quotennießbrauchs, darauf zu achten, ob und inwieweit es zu Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz kommen kann. Die steuerlichen und ökonomischen Wirkungen sollten vorab simuliert werden.