I. Zivilrechtliche Grundlagen
1. Bestellung des Nießbrauchs
Rz. 75
Bei Immobilien entsteht der Nießbrauch durch Einigung der Parteien und Eintragung im Grundbuch (§ 873 BGB). Der Nießbrauch ist weder vererblich noch übertragbar, jedoch kann einem Dritten die Ausübung überlassen werden, § 1059 S. 2 BGB.
Die praxisrelevante Abgrenzung zwischen einem Grundstücksnießbrauch und einer Benutzungsdienstbarkeit richtet sich allein formal danach, ob dem Berechtigten eine umfassende Nutzungsbefugnis (gegebenenfalls unter Ausschluss einzelner Nutzungen) oder nur einzelne Nutzungsmöglichkeiten (dann Grunddienstbarkeit, § 1018 1. Var. BGB) eingeräumt werden.
2. Inhalt des Nießbrauchsrechts
Rz. 76
Der Nießbraucher hat ein umfassendes Nutzziehungsrecht, d.h. er kann die Immobilie selbst nutzen, vermieten oder verpachten. Der Nießbraucher ist dabei der Vermieter bzw. Verpächter und damit selbst Partei eines etwaigen Miet- oder Pachtvertrags über die Immobilie. Er darf ohne die Zustimmung des Eigentümers das Grundstück jedoch nicht umgestalten oder wesentlich verändern. Nach § 1030 Abs. 2 BGB kann der Nießbrauch durch Ausschluss einzelner Nutzungen beschränkt werden. So kann beispielsweise das Recht zur Vermietung ausgeschlossen werden.
Das Stimmrecht in einer Miteigentümerversammlung steht allein dem Eigentümer zu. Da dies jedoch nicht unumstritten ist, empfiehlt sich auch hier eine vertragliche Regelung.
Das Nießbrauchsrecht ist pfändbar. Gestaltungsalternative wäre hier die Einräumung eines dinglichen Wohnrechts, das grundsätzlich unpfändbar ist, soweit nicht die Überlassung an einen Dritten gestattet ist, § 1092 Abs. 1 S. 2 BGB, §§ 851 Abs. 1, 857 Abs. 1 ZPO.
3. Lastenverteilung
Rz. 77
Das Gesetz sieht folgende Lastenverteilung vor:
Gemäß § 1041 BGB ist der Nießbraucher zur gewöhnlichen Unterhaltung der Sache verpflichtet. Hierzu zählen Maßnahmen, die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung regelmäßig, und zwar wiederkehrend innerhalb kürzerer Zeitabstände, zu erwarten sind. Veränderungen oder Verschlechterungen, die auf eine gewöhnliche Abnutzung zurückzuführen sind, verpflichten den Nießbraucher nicht zur Ausbesserung oder Erneuerung, § 1050 BGB. Abweichende Vereinbarungen sind hierbei zulässig und in der Praxis üblich. So können die Lasten der außergewöhnlichen Ausbesserungen und Erneuerungen, die gem. §§ 1041 ff. BGB vom Eigentümer zu tragen sind, auf den Nießbraucher verlagert werden, um einen Werbungskostenabzug zu ermöglichen.
Rz. 78
Die öffentlichen Lasten trägt – mit Ausnahme der außerordentlichen öffentlichen Lasten, die auf den Stammwert der Sache angelegt sind – der Nießbraucher, § 1047 BGB. Hierzu zählen etwa die Grundsteuer und Gemeindeabgaben wie Gebühren für Kanalisation, Straßenreinigung, Müllabfuhr, Schornsteinfeger. Die außergewöhnlichen öffentlichen Lasten, die auf den Stammwert der Sache angelegt sind, z.B. Anlieger- und Erschließungsbeiträge, trägt der Eigentümer.
Privatrechtliche Lasten, wie z.B. Zinsen von Hypothekenforderungen und Grundschulden, sind vom Nießbraucher zu tragen, soweit sie bereits zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs auf der Sache ruhten, § 1047 BGB. Tilgungszahlungen werden hiervon nicht erfasst.
Rz. 79
In der Praxis ist bei Immobilienschenkungen oftmals der Fall anzutreffen, dass die zu übertragenden Immobilien noch mit Grundpfandrechten belastet sind, für die zumindest auch noch teilweise valutierende Darlehensverbindlichkeiten bestehen. Sofern diese Grundpfandrechte nicht gelöscht werden sollen oder können, gehen sie auf den neuen Eigentümer der Immobilie über. Da die zugrunde liegenden Darlehensverbindlichkeiten aber meist aus den Nutzungen des Grundstücks zu begleichen sind, muss sichergestellt werden, dass der Nießbrauchsberechtigte die Zins- und Tilgungsleistungen trägt (zu den ertragsteuerlichen Folgen siehe Rdn 81). Als ursprünglicher Eigentümer wird der Schenker in der Regel Darlehensnehmer sein, so dass er – auch nach dinglichem Rechtsübergang – weiterhin verpflichtet bleibt, die Zins- und Tilgungsleistungen zu bezahlen. In der Praxis werden die Kreditinstitute oftmals auch verlangen, dass der neue Eigentümer des Grundstücks dem Darlehensvertrag beitritt. Die Lastenübernahme zwischen Schenker/Nießbraucher und Beschenkten wird dann so gestaltet, dass der Beschenkte im Innenverhältnis durch den Schenker/Nießbraucher von den Verpflichtungen gegenüber dem Kreditinstitut freigestellt wird.
Von der gesetzlichen Lastenverteilung kann durch Vereinbarung abgewichen werden. Mit Eintragung im Grundbuch erlangen sie dingliche Wirkung.
Rz. 80
Werden dem Nießbraucher sämtliche Lasten auferlegt, handelt es sich um einen sog. Nettonießbrauch. Der Nießbraucher bleibt in diesem Fall wirtschaftlicher Eigentümer. Werden dagegen sämtliche Lasten dem Eigentümer auferlegt, liegt ein sog. Bruttonießbrauch vor.