1. Allgemeines
Rz. 8
Der Nießbrauch hat eine erhebliche Bedeutung für die Nachfolgeplanung, sowohl im Bereich von Privatvermögen (insbesondere Immobilien) als auch im Bereich von unternehmerischem Vermögen (Anteile an Personen- oder Kapitalgesellschaften). Der Nießbrauch hat verschiedene Vor- und Nachteile, die im Einzelnen abzuwägen sind:
2. Versorgungsgedanke
Rz. 9
Ein Nießbrauch wird oft vereinbart, um die Versorgung des Übergebenden (Schenkers) sicherzustellen, oder aber im Falle des Zuwendungsnießbrauchs oder Vermächtnisnießbrauchs, um einen Dritten zu versorgen. Zu beachten ist jedoch, dass aus dem Nießbrauch nur Erträge fließen, wenn auch mit dem jeweils zugrunde liegenden Gegenstand Einkünfte erzielt werden. Dies kann, insbesondere bei Gesellschaften, dazu führen, dass bei schwankenden Erträgen keine stabile Versorgungsgrundlage besteht. Alternativ lässt sich der Weg einer Versorgungsleistung (Rente) wählen, die dem zu Versorgenden ein planbares Auskommen bietet, gegebenenfalls abhängig von der Bonität des die Rente Versprechenden.
3. Steuerlicher Abzugsposten
Rz. 10
Erbschaft- und schenkungsteuerlich wird der Nießbrauch oft gewählt, um einen Abzugsposten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu erhalten. Hier mindert der Kapitalwert des Nießbrauchs die Bereicherung, so dass im Ergebnis ein Abzugsposten geschaffen wird (siehe dazu im Detail Rdn 52). Allerdings ist zu beachten, dass insbesondere bei der Übertragung von unternehmerischem Vermögen gegebenenfalls weitreichende Verschonungsregelungen greifen (85 %-Abschlag oder 100 %-Abschlag der §§ 13a, 13b, 13c ErbStG, ggf. auch die sog. Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG, siehe dazu Rdn 57). In derartigen Fällen ist ein Nießbrauch als Abzugsposten oft nicht notwendig. Bedeutung erlangt der Nießbrauch daher vor allem bei der Übertragung von Privatvermögen (insbesondere Immobilien).
4. Einkünfteverlagerung
Rz. 11
Der Nießbrauch führt dazu, dass das zivilrechtliche Eigentum und damit auch etwaige Substanzsteigerungen nicht dem Nießbrauchberechtigten, sondern dem neuen Eigentümer zuzuordnen sind. Der Nießbrauchberechtigte hat jedoch i.d.R. die laufenden Einkünfte aus dem Vermögensgegenstand. Dies kann dazu führen, dass sich Barvermögen beim Nießbraucher ansammelt, insbesondere dann, wenn der Nießbraucher die Einkünfte aus dem Gegenstand nicht wirklich zu seiner Versorgung benötigt. Dieses Vermögen ist im Rahmen der Nachfolgeplanung dann wieder als gegebenenfalls erbschaftsteuerlich oder schenkungsteuerlich nicht begünstigtes Vermögen erneut in die kommende Generation zu übertragen, was steuerlich nachteilig sein kann.
Im Ergebnis ist daher im Einzelfall abzuwägen, ob den Zielen des Übergebenden durch einen Nießbrauch gedient ist. Alternativ ist immer die Versorgungsleistung zu prüfen (zur Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistung siehe § 26).
Rz. 12
Für die Nachfolgepraxis spielen Nießbrauchsgestaltungen an Personengesellschaftsanteilen (siehe Rdn 13), Kapitalgesellschaftsanteilen (siehe Rdn 62) sowie Immobilien (siehe Rdn 75) die wichtigste Rolle. Der ebenfalls mögliche Nießbrauch am Einzelunternehmen sowie der Nießbrauch an Kapitalvermögen kommt in der Praxis ebenfalls vor, wird hier jedoch nicht vertieft betrachtet.