1. Abzugsfähigkeit des Nießbrauchs
Rz. 52
Nachdem durch das Erbschaftsteuerreformgesetz § 25 ErbStG a.F. abgeschafft wurde, ist bei Erwerben seit dem 1.1.2009 der Nießbrauch für erb- und schenkungsteuerliche Zwecke eine voll abzugsfähige Last. Für Erbfälle vor dem 1.1.2009 ist § 25 ErbStG a.F. weiterhin anzuwenden.
Hinweis
Durch die höhere Bewertung des Nießbrauchs und der nunmehr vollen Abzugsfähigkeit des Nießbrauchs können sich erhebliche Steuerminderungen ergeben.
Wird ein Anteil an einer Personengesellschaft unentgeltlich unter Nießbrauchsbelastung übertragen, so ist der Nießbrauch mit seinem Kapitalwert zu berücksichtigen. Hieran hat sich auch durch die erneute Reform der Erbschaftsteuer im November 2016 nichts geändert.
2. Bewertung des Nießbrauchs
Rz. 53
Der steuerliche Wert des Nießbrauchs ergibt sich aus dem Produkt des Jahreswertes des Nießbrauchs (siehe Rdn 54) und dem jeweils anzuwendenden Vervielfältiger (siehe Rdn 55).
a) Jahreswert
Rz. 54
Der anzusetzende Jahreswert wird durch § 16 BewG begrenzt, wonach höchstens 1/18,6 des Wertes des Anteils anzusetzen ist. Der Jahreswert entspricht dem Gewinnanteil, sofern der Nießbraucher wirtschaftlicher Eigentümer des Anteils ist. Stehen dem Nießbraucher auch Erträge aus Sonderbetriebsvermögen zu, so ist der darauf entfallende Gewinn ebenfalls zu berücksichtigen.
b) Vervielfältiger
Rz. 55
Durch das Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 hat sich für den maßgeblichen Vervielfältiger gemäß § 14 Abs. 1 BewG eine grundlegende Änderung ergeben. Dieser hängt anders als bisher von der anhand der jeweils letzten veröffentlichten Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes zu ermittelnden aktuellen statistischen Lebenserwartung des Nießbrauchers ab. Die sich hieraus ergebenden Vervielfältiger werden jährlich von BMF, nach Geschlecht und Lebensalter differenziert, in einer Tabelle im BStBl veröffentlicht. Das BMF hat die Vervielfältiger, die nach der am 4.11.2010 veröffentlichten Sterbetafel 2007/2009 des Statistischen Bundesamtes ermittelt wurden, für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2011 veröffentlicht. Die vor der Erbschaftsteuerreform 2009 anzuwendenden Vervielfältiger beruhten auf den Sterbetafeln 1986/1988 (vormalige Anlage 9 zu § 14 Abs. 1 BewG). Da die Lebenserwartung innerhalb der letzten 20 Jahre deutlich angestiegen ist, gelten nunmehr deutlich höhere Vervielfältiger, was im Vergleich zur Rechtslage bis zum 31.12.2008 zu höheren Nießbrauchswerten führt.
3. Mitunternehmerstellung
Rz. 56
Voraussetzung für die Inanspruchnahme der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen der §§ 13a bis 13c, 19a, 28a ErbStG ist u.a., dass Betriebsvermögen vom Schenker auf den Beschenkten übergeht und auch beim Beschenkten weiterhin Betriebsvermögen bleibt. Die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen greifen nur dann ein, wenn das durch Schenkung oder von Todes wegen erworbene Vermögen durchgehend sowohl beim bisherigen Rechtsträger als auch beim Erwerber den Tatbestand des § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG erfüllt. Somit ist erforderlich, dass eine Mitunternehmerstellung bezüglich des übertragenen Anteils durch die Schenkung auf den Beschenkten übergeht (siehe Rdn 47). In den vergangenen Jahren hat die Rechtsprechung zunehmend kritisch die Mitunternehmerstellung des Beschenkten hinterfragt. Verfügt der Erwerber mangels Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten, die wenigstens den Rechten eines Kommanditisten angenähert sind, nicht über die Möglichkeit, an unternehmerischen Entscheidungen teilzuhaben, so hat er demzufolge auch keine Mitunternehmerinitiative. Nach Ansicht des BFH verfügt der Erwerber nicht über die erforderliche Mitunternehmerinitiative, wenn er dem Nießbrauchbesteller eine Stimmrechtsvollmacht erteilen musste und im Innenverhältnis darauf verzichtet, das ihm grundsätzlich noch zustehende Stimmrecht auszuüben. Der BFH hat deshalb trotz des Bestehens eines lebenslanges Stimmrechtsvorbehalts zugunsten des Nießbrauchbestellers und der jederzeitigen Widerrufsmöglichkeit der Schenkung im Falle eines Widerrufs der Stimmrechtsvollmacht die Mitunternehmerstellung des Erwerbers bejaht. Eine Kombination von Nießbrauchsvorbehalt und Einräumung einer Stimmrechtsvollmacht zugunsten der Nießbrauchsbesteller sollte daher unter Berücksichtigung dieser BFH-Rechtsprechung geprüft und gestaltet werden. Ein nach den Vorgaben des BGB ausgestalteter Nießbrauch lässt die Mitunternehmerinitiative nicht entfallen. Zu beachten sind auch hier die etwaige mögliche geänderte Sichtweise des Ertragsteuerrechts bei der doppelten Mitunternehmerstellung des Gesellschafters und des Nießbrauchberechtigten, die sich auch auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer auswirken (Rdn 48)...