Herbert Krumscheid, Sascha Borowski
Rz. 28
Die Unterteilung der Kunden nach ihrer Geschäftserfahrenheit wurde im Rahmen der Umsetzung der MiFID deutlich hervorgehoben und stellt ein weiteres Element der Wohlverhaltensregeln dar.
Die Kleinanleger (zu denen u.a. Privatkunden zählen) sind von den sog. professionellen Kunden abzugrenzen. Zentrale Norm für die Unterscheidung ist § 67 WpHG. Gem. § 67 Abs. 3 WpHG sind Privatkunden jene, die keine professionellen Kunden sind. Entscheidend für die Qualifizierung als Privatkunde ist somit, dass er kein professioneller Kunde ist, weshalb er von eben diesen abzugrenzen ist.
Einen professionellen Kunden zeichnet aus, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen davon ausgehen kann, dass er über ausreichende Erfahrungen, Kenntnisse und einen ebensolchen Sachverstand verfügt, aufgrund dessen er seine Anlageentscheidung treffen und die damit verbundenen Risiken angemessen beurteilen kann, § 67 Abs. 2 WpHG.
Eine Aufzählung der professionellen Kunden, bei denen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen von diesen Fähigkeiten ausgehen kann, ist § 67 Abs. 2 WpHG zu entnehmen:
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u.a. Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Versicherungsunternehmen werden als professionelle Kunden von Gesetzes wegen angesehen, wenn sie im In- oder Ausland zulassungs- oder aufsichtspflichtig sind, um auf den Finanzmärkten tätig werden zu können (i.Ü. vgl. § 67 Abs. 2 WpHG). |
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Andere Unternehmen, die weder im In- noch im Ausland zulassungs- oder aufsichtspflichtig sind, um auf den Finanzmärkten tätig zu werden, sind gem. § 67 Abs. 2 Nr. 2 WpHG auch dann als professionelle Anleger anzusehen, wenn sie zwei der drei folgenden Merkmale überschreiten:
a) |
eine Bilanzsumme i.H.v. 20 Mio. EUR, |
b) |
Umsatzerlöse i.H.v. 40 Mio. EUR, |
c) |
Eigenmittel i.H.v. 2 Mio. EUR. |
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Daneben werden nationale und regionale Regierungen sowie Stellen der öffentlichen Schuldenverwaltung, Zentralbanken, internationale und überstaatliche Einrichtungen sowie sonstige nicht nach den eingangs aufgeführten Regeln zulassungs- oder aufsichtspflichtige institutionelle Anleger, deren Haupttätigkeit in der Investition in Finanzinstrumente besteht und Einrichtungen, die Verbriefung von Vermögenswerten und andere Finanzierungsgeschäfte betreiben, erfasst. |
Eine Änderung des Anlegerstatus in der Form, dass professionelle Anleger wie Kleinanleger zu behandeln sind (sog. "opt-out") oder Kleinanleger zu professionellen Anlegern erkoren werden können (sog. "opt-in"), ist möglich und in § 67 Abs. 5 WpHG vorgesehen.
Rz. 29
Während es bei dem "opt-out" einer schriftlichen Vereinbarung bedarf, vgl. § 67 Abs. 5 WpHG, kann das "opt-in" aufgrund eines Antrags des Privatkunden oder durch eine Festlegung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens erfolgen, was sodann schriftlich gegenüber dem Kunden mitzuteilen ist. Auch die Einstufung eines Privatkunden als professioneller Anleger i.S.d. § 67 Abs. 5 WpHG bedarf zunächst einer Bewertung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens. Entscheidungskriterien, die bei dieser Bewertung zu Hilfe gezogen werden, sind wiederum die Erfahrungen, Kenntnisse und der Sachverstand des Kunden. Eine Statusänderung für eine bestimmte Art von Geschäften ist möglich. Weiterhin müssen noch zwei der drei folgenden Kriterien auf den künftigen professionellen Anleger zutreffen:
a) |
der Kunde hat an dem Markt, an dem die Finanzinstrumente gehandelt werden, für die er als professioneller Kunde eingestuft werden soll, während des letzten Jahres durchschnittlich zehn Geschäfte von erheblichem Umfang im Quartal getätigt, |
b) |
der Kunde verfügt über Bankguthaben und Finanzinstrumente im Wert von mehr als 500.000 EUR, |
c) |
der Kunde hat mindestens ein Jahr einen Beruf am Kapitalmarkt ausgeübt, der Kenntnisse über die in Betracht kommenden Geschäfte, Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen voraussetzt. |
Die detailliert normierten Wohlverhaltensregeln §§ 63, 64 WpHG sind als gesetzlich ausgestaltete individualvertragliche Nebenpflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB zu verstehen.
Ein freiwilliger Verzicht auf die Einhaltung der Wohlverhaltenspflichten für Privatkunden ist durch diese nicht möglich.