Herbert Krumscheid, Sascha Borowski
a) Aufklärungspflichten
Rz. 32
Grundsätzlich gelten auch für Direktbanken die für die anderen Kreditinstitute vorgeschriebenen Pflichten zur anleger- und anlagegerechten Beratung und somit auch das neue Regelungssystem des WpHG.
Dieser Pflicht konnten sie sich überhaupt nur entziehen, wenn sie im gesamten Prozess des Vertragsschlusses, also bereits bei Werbung und Anbahnung, den Kunden auf die fehlende Beratung hinwiesen. Wie weit allerdings die Pflichten zur Information, Aufklärung und Beratung für Direktbanken zwingend galt, war problematisch.
Nach den vom damaligen Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel – heute: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – veröffentlichten Richtlinien musste jede Direktbank, die sich auf die bloße Abwicklung von Wertpapiergeschäften beschränkte (die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht spricht vom "execution-only"), ferner klarstellen, dass von ihr zur Verfügung gestellten Informationen, die über die allgemeine Aufklärung hinausgehen, keine Anlageberatung darstellten. Darüber hinaus musste das Institut spätestens vor Erteilung eines Auftrags den Kunden zu seinen Anlagezielen und finanziellen Verhältnissen befragen. Nicht ausbleiben durfte auch die ungefragte und schriftliche Aufklärung über die wesentlichen Grundlagen, die wirtschaftlichen Zusammenhänge sowie Risiken und Gewinnchancen, wenngleich dies auch in standardisierter Form möglich war.
Grundsätzlich schuldete also auch die Direktbank die standardisierten und allgemeinen Aufklärungspflichten, vgl. § 63 WpHG. Echte Beratungspflichten trafen die Direktbank in aller Regel nicht.
Das WpHG unterscheidet zwischen komplexen und nicht-komplexen Finanzinstrumenten, so dass die Wohlverhaltensregeln grundsätzlich wohl auch für Direktbanken gelten. Art. 19 Abs. 6 MiFID sah eine eigene Regelung für sog. Discount-Broker vor. Diese Regelung findet sich in § 63 Abs. 11 WpHG wieder. Nach dem Wortlaut des Gesetzestextes gelten die Einschränkungen des § 63 Abs. 11 WpHG nicht nur für Direktbanken, sondern für sämtliche Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Folglich ist ein Angemessenheitstest i.S.d. § 63 Abs. 10 WpHG nicht durchzuführen, wenn der Anwendungsbereich des § 63 Abs. 11 WpHG eröffnet ist.
Auf die in § 64 Abs. 2 ff. WpHG normierte Anlageberatung und Portfolioverwaltung (§ 64 Abs. 7 f. WpHG) sind die vorgenannten Einschränkungen jedoch nicht anzuwenden.
b) Nichterreichbarkeit
Rz. 33
Nach § 80 WpHG sind Direktbanken als Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, die für eine ordnungsgemäße Durchführung der Dienstleistung notwendigen Mittel und Verfahren vorzuhalten und wirksam einzusetzen. Dazu zählen insbesondere ausreichende personelle und technische Kapazitäten, die den zu erwartenden Kundenverkehr bewältigen lassen. In Zeiten vorhersehbarer, verstärkter Kundenfrequentierung – z.B. während Neuemissionen oder während umsatzstarker Handelszeiten – muss die Direktbank sich daher auf einen erhöhten Personal- und Systembedarf einstellen und vorbereiten.
Die genauen Ausprägungen der Organisationspflichten und Konsequenzen eines Verstoßes sind allerdings nicht geklärt. Diskutiert wurde dabei insbesondere die Frage, ob § 80 WpHG als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB zu qualifizieren war. Da die entsprechende Norm aber nur als allgemeines Ge- bzw. Verbot ausgestaltet war und damit keine konkreten Verhaltensweisen vorschrieb oder verbot, wurde eine Anwendung unter § 823 Abs. 2 BGB in der Literatur überwiegend abgelehnt.
Auch die Annahme einer vertraglichen Pflicht zur Erreichbarkeit ist nicht unproblematisch, da sich automatisch die Frage nach der genauen Ausprägung einer derartigen Zusicherung stellen würde. Teils wird argumentiert, dass im Zweifel eine Erreichbarkeit innerhalb von einer Stunde als vertragliche Nebenpflicht zugesichert wird.
Ferner berührt die Problematik die Gestaltung von AGB. Zulässig ist der Verweis auf alternative Kommunikationswege für den Fall, dass der vom Kunden gewählte Weg nicht verfügbar ist (so muss der Kunde z.B. bei gestörter Internet-Verbindung Telefon oder Fax benutzen). Laut BGH jedenfalls unzulässig ist eine Klausel, nach der die Haftung bei Nichterreichbarkeit selbst bei grobem Verschulden ausgeschlossen wird.