Herbert Krumscheid, Sascha Borowski
I. Typischer Sachverhalt
Rz. 36
Der Mandant ist Angestellter und erwarb durch Vermittlung einer Anlageberatungs- und Vermittlungs-GmbH eine Eigentumswohnung im Rahmen eines sog. Versorgungskonzeptes. Nach Angaben des Vermittlers sollte hierbei der Wohnungskauf "sich selbst tragen". Die Wohnung sollte mit einem Vollkredit finanziert werden und sich aus Steuerersparnissen und Mieteinnahmen tragen, so dass keine Zuzahlung erforderlich sei. Eine Mietgarantie wurde von der Verkäuferin, der Firma Insolida GmbH, gestellt.
Die Vermittlung des Mandantenkredites übernahm ebenfalls der Vermittler. Ein direkter Kontakt zwischen ihm und der finanzierenden Bank bestand nicht. Die Immobilie wurde zu 100 % fremdfinanziert. Die Insolida GmbH wurde insolvent.
In der Folge ließ sich die garantierte Miete nicht mehr realisieren. Auch die versprochene Steuerersparnis griff nicht, da der Mandant über kein entsprechend hohes Einkommen verfügte, um die prognostizierten Steuervorteile überhaupt realisieren zu können. Da der Mandant nicht in der Lage war, den Kredit zurückzuführen, betrieb die finanzierende Bank die Zwangsvollstreckung. Für die Immobilie wurde lediglich ein dem Verkehrswert der Immobilie entsprechender Verkaufspreis erzielt, der weit unter dem Kaufpreis und dem Restsaldo des zur Finanzierung aufgenommenen Darlehens lag. Die Bank setzte die Zwangsvollstreckung gegen den Mandanten fort.
II. Einführung/Problemstellung
Rz. 37
Immobilienkapitalanlagen werden privaten Anlegern zur Kapitalanlage in den unterschiedlichsten rechtlichen Konstellationen, z.B. als Eigentumswohnungen oder als Fondsbeteiligungen, angeboten. Argumente des Verkaufes sind hierbei in der Regel ein Vermögensaufbau zur Alterssicherung sowie sich – angeblich – durch die Kapitalanlage ergebende Steuerersparnisse.
Wegen der auf der einen Seite recht hohen Kaufpreise und der auf der anderen Seite gerade durch die Kreditfinanzierung vermieteter Objekte zu erzielenden steuerlichen Vorteile werden diese Anlagen zu einem hohen Prozentsatz kreditfinanziert. Dem Anleger wird regelmäßig versprochen, dass sich das Objekt durch Mieteinnahmen und die eintretenden Steuerersparnisse quasi von selbst finanziert. Für den Anleger ist regelmäßig nicht zu erkennen, dass im Kaufpreis bereits eine Vielzahl "weicher" Kosten für Vertrieb und Projektierung enthalten sind, die den Kaufpreis weit über den Marktpreis anheben und die so seine Chance, einen Gewinn zu erzielen, erheblich schmälern. Die gesamte Abwicklung – einschließlich der Kreditbeschaffung – wird vom Initiator des Objektes bzw. dem von ihm beauftragten Vertrieb übernommen, so dass es oftmals zu keinerlei direktem Kontakt zwischen Anleger und finanzierender Bank kommt. Lässt sich die prognostizierte Miete – z.B. bei Ausfall der Mietgarantie – nicht erzielen, so ist der Anleger nicht in der Lage, den Kredit weiter zu bedienen. Bei einer Veräußerung des Objektes – sei es im Wege des freihändigen Verkaufes, sei es im Wege der Zwangsvollstreckung – lässt sich regelmäßig kein adäquater Kaufpreis erzielen, so dass beim Anleger ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden verbleibt. Veräußerer und Vertreiber sind häufig GmbHs, die zum Zeitpunkt, in dem der Anleger den Schaden realisiert, nicht mehr existent oder vermögenslos sind. Daher spitzt sich die Frage in der Praxis darauf zu, ob und inwieweit der Bank eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Anleger erwächst, deren Verletzung sie zur Schadensersatzleistung verpflichtet. Die finanzierende Bank erhält bei ihrer Prüfung vor Kreditvergabe genaue Informationen über Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Erwerbers sowie über die Wertverhältnisse des zu finanzierenden Objektes.
III. Rechtliche Grundlagen
Rz. 38
Nach h.M. ist eine kreditgebende Bank grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Darlehensnehmer, Mithaftenden oder Bürgen über die Risiken einer beabsichtigten Darlehensverwendung aufzuklären. Entsprechend hatte die Rechtsprechung bei Entscheidungen, denen die Bauherrenmodelle der 70er und 80er-Jahre zugrunde lagen, Ansprüche der Anleger regelmäßig mit der Begründung abgewiesen, dass es nicht Sache der Banken sei, den Darlehensnehmer über Geschäfte, die mit einem Risiko verbunden sind, zu informieren und zu warnen. Die durch die Bauherrenmodelle Geschädigten waren fast ausnahmslos sog. Besserverdienende wie z.B. Ärzte und Zahnärzte, die durch ihre Steuerberater an die Bauherrenmodelle und andere Steuersparmodelle herangeführt worden waren. Die Gerichte stellten daher immer wieder darauf ab, dass es sich bei den Geschädigten nicht um geschäftsunerfahrene Personen, sondern um solche handelte, die...