Herbert Krumscheid, Sascha Borowski
Rz. 5
Aufgrund der BGH-Rechtsprechung kann als gesichert gelten, dass jeden Anlageberater die Pflicht trifft, seinem Kunden eine richtige, vollständige und alle für die jeweilige Anlage wichtigen Umstände umfassende Aufklärung und Beratung zu erteilen, deren schuldhafte Verletzung Schadensersatzansprüche auslöst. Die Grundlagen und den Umfang der geschuldeten Aufklärung hat der BGH anschaulich in dem viel beachteten sog. Bond-Urteil dargestellt, das von der Rechtsprechung in einer Vielzahl von Entscheidungen auch weiterhin noch als Leitlinie herangezogen wird. Der BGH hat festgestellt, dass die Beratung des Anlegers individuell erfolgen muss. Damit wurde mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sich die Beratung zum einen – anlegergerecht – an dem Kenntnis- und Wissensstand des Anlegers sowie dessen Anlagezielen und zum anderen auch – objektspezifisch – an der sich aus der jeweiligen Anlageform und dem konkreten Anlageobjekt ergebenden besonderen Umstände und Risiken zu orientieren hat.
Dem lag folgender Fall zugrunde:
Ein Ehepaar hatte sich wegen der Neuanlage eines Betrages von 20.000 DM an eine Bank gewandt, mit der es seit über 20 Jahren in Geschäftsbeziehung stand und das sein Vermögen in sicheren Anlageformen wie Festgeld, Sparguthaben und Bundesschatzbriefe angelegt hatte. Der Anlageberater der Bank legte den Anlegern eine Liste von Angeboten aus dem Anlageprogramm der Bank vor, in der auch eine DM-Anlage der Australischen Bond-Financial Limited aufgeführt war. Auf die Frage nach Risiken erläuterte der Bankberater, dass bei DM-Auslandsanlagen das Kursrisiko ausgeschlossen sei. Daraufhin erwarben die Anleger im März 1989 Anleihen im Nennwert von 20.000 DM. Bereits im Jahre 1988 hatte eine australische Rating-Agentur die Anlage als spekulativ mit unterdurchschnittlicher Deckung bzw. hochspekulativ mit geringer Kapitalabsicherung eingestuft. Die Anleihe war zum amtlichen Handel an der Frankfurter Börse zugelassen. Nach Börsenzulassung wurde die Anleihe nur noch mit "ccc" bewertet und war nahezu wertlos geworden.
Rz. 6
Der BGH verpflichtete die Bank zur Leistung von Schadensersatz wegen Verletzung eines konkludent abgeschlossenen Beratervertrages über die Anlage des Geldbetrages. Wenn ein Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater an einen Kunden herantrete, um über die Anlage eines Geldbetrages zu beraten bzw. beraten zu werden, liege hierin bereits das Angebot zum Abschluss eines Beratervertrages, welches stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgespräches angenommen werde. Inhalt und Umfang der sich aus dem Beratungsvertrag ergebenden Pflichten hängen nach dem BGH von der Person des Anlegers und dem Anlageprojekt ab. Die Beratung müsse anleger- und objektgerecht sein. Die Bank habe insbesondere den Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art sowie dessen Risikobereitschaft und dessen Anlageziel zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen sei, ob das Anlagegeschäft einer sicheren Geldanlage dienen solle oder spekulativen Charakter habe. Die empfohlene Anlage müsse unter Berücksichtigung des Anlageziels auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten sein. Die Kenntnis über die in der Person des Kunden liegenden Umstände könne die Bank aus Geschäftsbeziehungen mit dem Kunden gewonnen haben; sollte dies nicht der Fall sein, müsse die Bank Informationsstand und Anlageziele des Kunden erfragen. In Bezug auf das Anlageobjekt habe sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben könnten. Dabei sind einerseits die allgemeinen, sich z.B. aus Konjunkturlage, Entwicklung des Börsenmarktes etc. ergebenden allgemeinen Risiken und andererseits die speziellen, sich aus den individuellen Gegebenheiten des Anlageobjektes ergebenden Risiken zu berücksichtigen. Die Bankberatung müsse richtig und sorgfältig, aber für den Kunden verständlich und vollständig sein. Die Bank müsse zeitnah über alle Umstände unterrichten, die für das Anlagegeschäft von Bedeutung sind. Soweit ihr derartige Kenntnisse fehlen, habe sie dem Kunden mitzuteilen, dass sie zu einer Beratung über das konkrete Risiko mangels eigener Information nicht in der Lage sei. Soweit sie – wie im entschiedenen Fall – ausländische Wertpapiere in ihrem Anlageprogramm aufgenommen habe, müsse sie diese Papiere, die sie ihren Kunden als Anlage empfehle, einer eigenen Prüfung unterziehen; sie dürfe sich nicht auf die Börsenzulassung verlassen und damit begnügen, den Inhalt des Zulassungsprospektes zur Kenntnis zu nehmen. Kommt zwischen der beratenden Bank und dem Anleger ein sog. Anlageberatungsvertrag zustande, so reicht nach der BGH-Rechtsprechung eine reine Plausibilitätsprüfung des Emissionsprospekts seitens der Bank nicht aus. Die anlageberatende Bank ist vielmehr verpflichtet, die von ihr empfohlene Kapitalanlage mit banküblichem kritischem Sachverstand zu prüfen. Grundsätzlich sind sowoh...