Herbert Krumscheid, Sascha Borowski
Rz. 38
Nach h.M. ist eine kreditgebende Bank grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Darlehensnehmer, Mithaftenden oder Bürgen über die Risiken einer beabsichtigten Darlehensverwendung aufzuklären. Entsprechend hatte die Rechtsprechung bei Entscheidungen, denen die Bauherrenmodelle der 70er und 80er-Jahre zugrunde lagen, Ansprüche der Anleger regelmäßig mit der Begründung abgewiesen, dass es nicht Sache der Banken sei, den Darlehensnehmer über Geschäfte, die mit einem Risiko verbunden sind, zu informieren und zu warnen. Die durch die Bauherrenmodelle Geschädigten waren fast ausnahmslos sog. Besserverdienende wie z.B. Ärzte und Zahnärzte, die durch ihre Steuerberater an die Bauherrenmodelle und andere Steuersparmodelle herangeführt worden waren. Die Gerichte stellten daher immer wieder darauf ab, dass es sich bei den Geschädigten nicht um geschäftsunerfahrene Personen, sondern um solche handelte, die jedenfalls durch Hinzuziehung von Beratern über die Risiken der Geschäfte hätten Klarheit erlangen können. Nur in Einzelfällen ist in der Rechtsprechung von dem Grundsatz der Eigenverantwortung des Anlegers abgewichen worden. Hierbei haben sich in der Rechtsprechung folgende Fallkonstellationen gebildet, in denen Aufklärungs- und Schutzpflichten der Bank in Bezug auf das zu finanzierende Projekt angenommen wurden:
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konkreter Wissensvorsprung der Bank; |
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das Überschreiten der Rolle als Kreditgeber durch Beteiligung an Planung, Durchführung oder Vertrieb des Projektes; |
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das Schaffen oder Begünstigen der Entstehung eines speziellen Gefährdungstatbestandes durch die Bank für den Kunden; |
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ein schwer wiegender Interessenkonflikt auf Seiten der Bank. |
Rz. 39
Da sich seit Beginn der 90er Jahre beobachten lässt, dass die hier diskutierten Immobilienanlagen verstärkt auch Personengruppen mit vergleichsweise niedrigem Einkommen angeboten werden, wurde zunehmend auf eine generelle Schutzwürdigkeit dieser Personengruppen abgestellt.
Indessen ist aufgrund einer Vielzahl in jüngster Zeit ergangener obergerichtlicher und höchstrichterlicher Entscheidungen festzustellen, dass sich kein grundlegender Wandel in der Rechtsprechung abzeichnet, so dass auch hier Aufklärungs- und Warnpflichten nur in Ausnahmefällen bestehen, wenn im Einzelfall ein besonderes Aufklärungs- und Schutzbedürfnis existiert und nach Treu und Glauben ein Hinweis der Bank geboten ist, z.B. weil die Bank selbst einen zusätzlichen Gefährdungstatbestand gesetzt hat oder über einen konkreten Wissensvorsprung verfügt.
Rz. 40
Kenntnisse der Bank über den Zustand des zu finanzierenden Objekts und über die Unangemessenheit des Kaufpreises begründen regelmäßig noch keinen Wissensvorsprung, der zur Aufklärung des Kreditsuchenden verpflichtet. Dies kann allenfalls dann anders zu beurteilen sein, wenn die Bank bei einem Vergleich von Kaufpreis und Wert des Objekts von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Kunden durch den Vertragspartner ausgehen muss.
Auch bei geschäftsunerfahrenen Erwerbern gilt demnach der Grundsatz, die Angemessenheit des Kaufpreises und die tatsächliche Existenz etwaiger steuerlicher Vorteile selbst klären zu müssen. Etwas anderes gilt auch nicht für die mit Kenntnis der Bank abgerechneten und als "versteckte Innenprovisionen" bezeichneten, überdurchschnittlich hohen Vertriebskosten. Eine Aufklärungspflicht der Bank über die Unangemessenheit des Kaufpreises kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Innenprovision zu einer so wesentlichen Verschiebung der Relation zwischen Kaufpreis und Verkehrswert beiträgt, dass die Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen muss.
Rz. 41
Ferner kann sich die Frage ergeben, ob sich die Bank das Verhalten Dritter unter den Gesichtspunkten der arglistigen Täuschung (§ 123 BGB) oder des Verschuldens des Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) zurechnen lassen muss:
Weithin unproblematisch beantworten lässt sich die Frage nach einer Anfechtbarkeit nach § 123 BGB. Täuschungen über das Anlageobjekt berechtigen nicht zur Anfechtung des Kreditvertrags, zumal die Bank in der Regel keine Angaben zum Objekt machen wird. Die vom Verkäufer der Immobilie eingesetzten Anlagevermittler sind hinsichtlich ihrer Erklärungen zum Objekt regelmäßig weder Vertreter noch Erfüllungsgehilfe der Bank.
Zu der kontrovers diskutierten Frage, unter welchen Voraussetzungen der Bank Täuschungen der Anlage- und Finanzierungsvermittler entsprechend §§ 166 Abs. 1, 278 BGB zuzurechnen sind, hat der BGH in zwei Entscheidungen vom 27.6.2000 die schon früher vertretene Auffassung einer beschränkten Zurechnung nach Pflichtenkreisen (sog. Trennungstheorie) erneut bestätigt:
Die Bank muss sich hiernach das Verhalten derjenigen Personen zurechnen lassen, derer sie sich als Verhandlungsgehilfen bedient hat, als sie dem Kläger die Finanzierung anbot, aber nur für den Bereich, der die Anbahnung des Kreditvertrages betrifft, nicht indessen für den Ber...