Herbert Krumscheid, Sascha Borowski
1. Einführung
Rz. 30
Direktbanken erfreuen sich in den vergangenen Jahren einer immer größer werdenden Beliebtheit. Immer mehr Bankkunden sind offenbar bereit, auf persönlichen Service und umfassende Beratung durch geschultes Fachpersonal zu verzichten, wenn sich dadurch Kosten sparen lassen.
Tatsächlich sieht das Konzept der Direktbanken eine sehr schlanke Struktur vor. Durch weitaus geringere Personal- und Verwaltungskosten ist es den Direktbanken möglich, Kunden ohne Beratungsbedürfnis für einen Bruchteil der üblichen Provisionen mit Bankdienstleistungen zu versorgen. Auch durch den Börsenboom der vergangenen Jahre wurden Direktbanken teilweise geradezu von Neukunden überrollt.
2. Problemstellung
Rz. 31
Im Zusammenhang mit der Abwicklung von Wertpapiergeschäften über Direktbanken ergeben sich zwei markante Problemfelder.
Erstens stellt sich die Frage, inwieweit sich die Direktbanken vollständig von Aufklärungs- und Beratungspflichten befreien können, selbst wenn entsprechende Klauseln in den AGB vereinbart wurden.
Zweitens wirft die in Direktbanken typische Abwicklung der Kundenaufträge organisatorische Schwierigkeiten auf, die gerade aufgrund der starken Nachfrage bis zur Nichterreichbarkeit des Instituts und daraus resultierenden Schäden beim Kunden reichen. Insbesondere im Rahmen von populären Börsengängen wie Infineon oder T-Online schienen Telefone, Telefaxe und Online-Systeme hoffnungslos überlastet, was schließlich zu einer gehäuften Anzahl von Beschwerden beim Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel – jetzt: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – führte.
3. Rechtliche Grundlagen
a) Aufklärungspflichten
Rz. 32
Grundsätzlich gelten auch für Direktbanken die für die anderen Kreditinstitute vorgeschriebenen Pflichten zur anleger- und anlagegerechten Beratung und somit auch das neue Regelungssystem des WpHG.
Dieser Pflicht konnten sie sich überhaupt nur entziehen, wenn sie im gesamten Prozess des Vertragsschlusses, also bereits bei Werbung und Anbahnung, den Kunden auf die fehlende Beratung hinwiesen. Wie weit allerdings die Pflichten zur Information, Aufklärung und Beratung für Direktbanken zwingend galt, war problematisch.
Nach den vom damaligen Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel – heute: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – veröffentlichten Richtlinien musste jede Direktbank, die sich auf die bloße Abwicklung von Wertpapiergeschäften beschränkte (die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht spricht vom "execution-only"), ferner klarstellen, dass von ihr zur Verfügung gestellten Informationen, die über die allgemeine Aufklärung hinausgehen, keine Anlageberatung darstellten. Darüber hinaus musste das Institut spätestens vor Erteilung eines Auftrags den Kunden zu seinen Anlagezielen und finanziellen Verhältnissen befragen. Nicht ausbleiben durfte auch die ungefragte und schriftliche Aufklärung über die wesentlichen Grundlagen, die wirtschaftlichen Zusammenhänge sowie Risiken und Gewinnchancen, wenngleich dies auch in standardisierter Form möglich war.
Grundsätzlich schuldete also auch die Direktbank die standardisierten und allgemeinen Aufklärungspflichten, vgl. § 63 WpHG. Echte Beratungspflichten trafen die Direktbank in aller Regel nicht.
Das WpHG unterscheidet zwischen komplexen und nicht-komplexen Finanzinstrumenten, so dass die Wohlverhaltensregeln grundsätzlich wohl auch für Direktbanken gelten. Art. 19 Abs. 6 MiFID sah eine eigene Regelung für sog. Discount-Broker vor. Diese Regelung findet sich in § 63 Abs. 11 WpHG wieder. Nach dem Wortlaut des Gesetzestextes gelten die Einschränkungen des § 63 Abs. 11 WpHG nicht nur für Direktbanken, sondern für sämtliche Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Folglich ist ein Angemessenheitstest i.S.d. § 63 Abs. 10 WpHG nicht durchzuführen, wenn der Anwendungsbereich des § 63 Abs. 11 WpHG eröffnet ist.
Auf die in § 64 Abs. 2 ff. WpHG normierte Anlageberatung und Portfolioverwaltung (§ 64 Abs. 7 f. WpHG) sind die vorgenannten Einschränkungen jedoch nicht anzuwenden.
b) Nichterreichbarkeit
Rz. 33
Nach § 80 WpHG sind Direktbanken als Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, die für eine ordnungsgemäße Durchführung der Dienstleistung notwendigen Mittel und Verfahren vorzuhalten und wirksam einzusetzen. Dazu zählen insbesondere ausreichende personelle und technische Kapazitäten, die den zu erwartenden Kundenverkehr bewältigen lassen. In Zeiten vorhersehbarer, verstärkter Kundenfrequentierung – z.B. während Neuemissionen oder während umsatzstarker Handelszeiten – muss die Direktbank sich daher auf einen erhöhten Personal- und Systembedarf einstellen und vorbereiten.
Die genauen Ausprägungen der Organisationspflichten und Konsequenzen eines Verstoßes sind allerdings nicht geklärt. Diskutiert wurde dabei insbesondere d...