Dieter Trimborn van Landenberg
a) Allgemeines
Rz. 94
Zunächst ist klarzustellen, dass ein nicht in den Nachlass fallender Lebensversicherungsanspruch – ungeachtet der Höhe – grundsätzlich pflichtteilsneutral ist, also keine Pflichtteilsansprüche auslöst.
Wird aber ein enterbter Pflichtteilsberechtigter vom Erblasser zum Bezugsberechtigten einer Lebensversicherung eingesetzt, stellt sich die Frage der Anrechenbarkeit dieser Schenkung. Eine Anrechnung gem. § 2315 BGB findet nur statt, wenn diese ausdrücklich vereinbart wurde, was regelmäßig nicht der Fall sein dürfte. Da es sich bei der Anrechnungsbestimmung um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, kann allein in der Benennung des Bezugsberechtigten keine konkludente Anrechnungsbestimmung gesehen werden. Eine Anrechnungsbestimmung im Testament ist ebenfalls unwirksam, da verspätet.
Im seltenen Fall einer wirksamen Anrechnungsbestimmung ist bei Kapitallebensversicherungen der Wert der Zuwendung strittig. § 2315 Abs. 2 S. 2 BGB stellt auf den Wert im Zeitpunkt der Zuwendung ab (vgl. Rdn 96).
Bei schenkweiser Zuwendung des Versicherungsanspruchs an einen bezugsberechtigten Dritten kommt ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2325 BGB in Betracht. Da die in diesem Zusammenhang typischen Fragestellungen anderweitig vertieft werden (vgl. § 17 Rdn 146 ff.), soll es hier nur um zwei Fragen gehen, die typischerweise im Zusammenhang mit einer Schenkung in Form einer Lebensversicherung auftreten.
b) Vorliegen einer Schenkung
Rz. 95
In vielen Fällen wird die Bestimmung eines Bezugsberechtigten ohne weiteres als eine Schenkung anzusehen sein. Es gibt aber auch Lebensversicherungsverträge, bei denen keine Schenkung anzunehmen ist und die deshalb auch nicht der Pflichtteilsergänzung unterliegen. Dies gilt insbesondere, wenn die Lebensversicherung zur Altersversorgung des Bezugsberechtigten bestimmt ist, wie dies bei Ehegatten häufig der Fall sein wird.
Eine Ergänzung kommt auch nicht in Betracht, wenn mit der Begünstigung durch die Lebensversicherung eine Vergütung von Diensten oder eine andere Gegenleistung verbunden war.
c) Bewertung des Schenkungsgegenstands
Rz. 96
Nach früherer Rechtsprechung war nur die Summe der gezahlten Prämien als Schenkungsgegenstand anzusehen, weil der Erblasser nur diesen Betrag aufgewendet hatte. Eine Unterscheidung zwischen widerruflicher und unwiderruflicher Bezugsberechtigung wurde nicht getroffen.
Eine Entscheidung des für das Insolvenzrecht zuständigen 9. Zivilsenats des BGH stellte diese Rechtsprechung in Frage. In diesem Urteil ging es um den Umfang des Anfechtungsrechts des Nachlassinsolvenzverwalters gegen den Bezugsberechtigten einer Lebensversicherung. Unter ausdrücklicher Ablehnung der bisherigen Rechtsauffassung führt das Gericht aus, dass nicht entscheidend sei, welche Mittel der Versicherungsnehmer erbracht, sondern welche Leistung der Versicherer bewirkt habe. Mittelbare Leistungen seien so zu behandeln, als habe die Lebensversicherung an den Schuldner (= Erblasser/Versicherungsnehmer) geleistet und dieser dann an den Gläubiger.
Der BGH hat dann in einem vielbeachteten (und kritisierten!) Urteil unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass in aller Regel auf den Rückkaufwert gem. § 169 VVG abzustellen sei. Je nach Lage des Einzelfalls könne auch ein objektiv belegter höherer Verkaufswert maßgeblich sein.
d) Checkliste: Lebensversicherung im Pflichtteilsrecht
Rz. 97
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Nachlasszugehörigkeit oder Erwerb am Nachlass vorbei?
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Benennung eines Bezugsberechtigten |
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Verwendung zur Kreditsicherung |
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Wirksame Schenkung im Valutaverhältnis?
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notariell beurkundet bzw. Leistung angenommen |
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kein Widerruf der Schenkung möglich |
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keine Gegenleistung vereinbart (u.U. gemischte Schenkung) |
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keine Anstandsschenkung |
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keine Altersvorsorge |
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keine ehebedingte Zuwendung |
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Anrechnungsbestimmung gem. § 2315 BGB?
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Anrechnungserklärung |
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Inhalt der Erklärung |
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Zugang der Erklärung |
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Zeitpunkt des Zugangs |
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Bewertung der Schenkung? |