Dr. Burkhard Göpfert, Maximilian Melles
Rz. 60
Die Frage, ob das Unternehmen den Wirtschaftsausschuss ausschließlich über unternehmensbezogene wirtschaftliche Angelegenheiten unterrichten muss oder ob sich die Unterrichtungspflicht auch auf betriebsbezogene Daten bezieht, kann nicht abstrakt beantwortet werden. Ihre Beantwortung richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Fest steht lediglich, dass die Unterrichtungspflicht nicht ausnahmslos unternehmensbezogen ist und dass sie sich im Gegensatz dazu auch nicht stets auf alle betriebsbezogenen Daten bezieht.
Nach § 106 Abs. 2 BetrVG hat der Unternehmer den Wirtschaftsausschuss über die "wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens" zu unterrichten. Da das BetrVG in §106 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG ausdrücklich zwischen den Begriffen "Betrieb" und "Unternehmen" differenziert, könnte man sich auf den Standpunkt stellen, der Gesetzgeber habe aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 106 Abs. 2 BetrVG ausdrücklich gegen eine betriebsbezogene Unterrichtungspflicht votiert. Zur Stützung dieses Ergebnisses ließe sich auch die Entstehungsgeschichte der §§ 106 ff. BetrVG heranziehen. Den Vorstellungen der Verfasser des Regierungsentwurfs zum BetrVG 1952 zufolge sollte der Wirtschaftsausschuss ursprünglich auf betrieblicher Ebene errichtet werden. Die wörtliche und historische Auslegung der §§ 106 ff. BetrVG könnte zunächst also für eine ausschließlich unternehmensbezogene Informationspflicht sprechen. Allerdings hat der Wirtschaftsausschuss in Einzelfällen dennoch ein Recht auf betriebsbezogene Unterrichtung.
Rz. 61
Das gilt zunächst dann, wenn in dem Unternehmen nur ein einziger Betrieb vorhanden ist.
Neben diesen Fällen hat das BAG in seinem Beschl. v. 17.9.1991 eine betriebsbezogene Ausrichtung der Unterrichtungspflicht ggü. dem Wirtschaftsausschuss in den Fällen des § 106 Abs. 3 Nr. 6 und Nr. 7 BetrVG bejaht. Danach kann das Betriebsergebnis eines oder mehrerer Einzelbetriebe eines Unternehmens Grundlage einer Einschränkungs-, Stilllegungs- oder Verlegungsentscheidung von Betrieben oder Betriebsteilen sein. Erwägt der Unternehmer eine solche Maßnahme, kann es durchaus erforderlich sein, die Erfolgsrechnungen der betreffenden Betriebe dem Wirtschaftsausschuss vorzulegen. Ob die Unternehmensleitung darüber hinaus die Erfolgsrechnungen bzw. die wirtschaftlichen Daten der einzelnen Betriebe dem Wirtschaftsausschuss laufend für jeden Monat und unaufgefordert vorlegen muss, hat das BAG in der angeführten Entscheidung ausdrücklich offen gelassen und die Entscheidungsbefugnis über diese Frage der Einigungsstelle und nicht den ArbG zugewiesen. Ist die wirtschaftliche Lage einzelner Betriebe Beratungsgegenstand einer Wirtschaftsausschusssitzung, hat das Unternehmen den Wirtschaftsausschuss zweifelsohne über die entsprechenden wirtschaftlichen Daten der Betriebe zu unterrichten.
Rz. 62
Eine darüber hinausgehende laufende Informationspflicht über betriebsbezogene Daten lässt sich weder mit dem Wortlaut des § 106 BetrVG noch mit der gesetzlichen Systematik und dem Sinn und Zweck der Errichtung des Wirtschaftsausschusses vereinbaren: Zwar meint Joost allein aufgrund der Errichtung des Wirtschaftsausschusses auf Unternehmensebene könne dem Wirtschaftsausschuss nicht die Zuständigkeit für wirtschaftliche Angelegenheiten eines Betriebs abgesprochen werden. Aus dieser Äußerung lässt sich jedoch nicht zwingend schlussfolgern, dass er auch der Auffassung ist, der Wirtschaftsausschuss habe ein Recht auf laufende Unterrichtung über alle wirtschaftlichen Angelegenheiten der Betriebe eines Unternehmens. Die grds. Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses über alle wirtschaftlichen und finanziellen Angelegenheiten der einzelnen Betriebe dient in keiner Weise dem Zweck des Wirtschaftsausschusses, nämlich der Einflussnahme auf die Gesamtplanung des Unternehmens und auf die Planung einzelner Vorhaben. Hätte der Gesetzgeber eine umfassende Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses auch über die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Betriebe des Unternehmens gewollt, wäre die explizite Nennung der einzelnen betriebsbezogenen Informationstatbestände in § 106 Abs. 3 Nr. 6–Nr. 9 BetrVG überflüssig. Diese Daten wären dann ohnehin Gegenstand der Unterrichtung.
Mit der Einführung von Nr. 5b in § 106 Abs. 3 BetrVG im Katalog der wirtschaftlichen Angelegenheiten stellt sich im Zusammenhang mit den Lieferketten nunmehr aber auch die Frage, ob der Unternehmer den Wirtschaftsausschuss auch zu solchen Fragen zu beteiligen hat, die einen Vorgang innerhalb der Lieferkette aber außerhalb des eigenen Unternehmens betreffen. Der Wortlaut von § 106 BetrVG und die übrigen Regelbeispiele in Abs. 3, die sich ausdrücklich auf das Unternehmen beziehen, sprechen zwar für ein enges Verständnis und folglich auf die Begrenzung auf das Unternehmen. Ein solches enges Verständnis wird sich aber nur schwer mit dem Sinn und Zweck des LkSG und damit mit der wirtschaftlichen Angelegenheit im Sinne des § 106 Abs. 3 Nr. 5b BetrVG vereinbaren las...