Dr. Burkhard Göpfert, Maximilian Melles
Rz. 97
Im Mittelpunkt der meisten Sozialpläne stehen Abfindungsregelungen. Abfindungen sind auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer alsbald an einem gleichwertigen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann, weil jedenfalls der Bestandsschutz des bisherigen Arbeitsverhältnisses und daraus abgeleitete Anwartschaften verlorengehen.
Rz. 98
Für die Entscheidung der Einigungsstelle ist aber § 112 Abs. 5 Nr. 2 BetrVG zu berücksichtigen, wonach die Einigungsstelle die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu prüfen hat. Damit muss häufig eine Prognose getroffen werden, da bei Aufstellung des Sozialplans regelmäßig noch nicht feststeht, ob und wie lange ein betroffener Arbeitnehmer arbeitslos sein wird.
Auch das BAG erkennt in Anlehnung an die sog. Steuerungstheorie an, dass von einem zukunftsorientierten Anknüpfungspunkt auszugehen ist (Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion). Denkbar ist, dass von den Betriebspartnern bzw. der Einigungsstelle nach Arbeitnehmer-Gruppen unterschieden wird.
Beispiele
Unterscheidung nach fachlicher Qualifikation, aber auch nach Schwierigkeiten bei der Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt wegen Alters, Behinderung, Ausländereigenschaft.
Hinweis
Als Maßstab für die Festlegung von Abfindungen dienen in der Praxis Merkmale der sozialen Stellung des Arbeitnehmers, nämlich Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Höhe der bisherigen Vergütung und Familienstand.
Rz. 99
Grds. sind die Betriebspartner bei Abschluss eines Sozialplans frei, darüber zu entscheiden, welche Nachteile, die der Verlust eines Arbeitsplatzes mit sich bringt, durch eine Abfindung ausgeglichen werden sollen. Das ausschließliche Abstellen auf die Betriebszugehörigkeit ist allerdings nur dann unbedenklich, wenn sich die übrigen sozialplanrelevanten Faktoren, wie etwa Lebensalter und Unterhaltspflichten, nicht wesentlich unterscheiden.
Rz. 100
Die Betriebspartner haben deshalb einen weiten Ermessensspielraum; sie dürfen nach der Schwere der möglichen Nachteile und deren Vermeidbarkeit differenzieren.
Rz. 101
Der Sozialplan kann auch Sonderzuschläge für Schwerbehinderte und Mitarbeiter mit unterhaltsberechtigten Kindern vorsehen.
Rz. 102
Auch sind Regelungen denkbar, wonach Arbeitnehmer keine oder nur eine geringere Abfindung erhalten,
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die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen oder |
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denen mit Wirkung bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses eine solche Rente bewilligt wird oder |
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die vorgezogenes Altersruhegeld in Anspruch nehmen können oder |
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soweit sie noch ausreichend bemessen ist, um die wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen, die sie in der Zeit nach der Erfüllung ihres Arbeitslosengeldanspruchs bis zum frühestmöglichen Bezug einer Altersrente erleiden. |
Arbeitnehmer, die einen ihnen angebotenen zumutbaren Arbeitsplatz ablehnen, ist im Regelfall durch § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG die Zuerkennung von Abfindungsansprüchen durch die Einigungsstelle versagt. Eine entsprechende von den Betriebspartnern unmittelbar vereinbarte Klausel ist daher wirksam. Ebenfalls wirksam ist der von den Betriebspartnern vereinbarte Ausschluss von Abfindungsansprüchen für den Fall, dass der Arbeitnehmer auf Vermittlung des Arbeitgebers einen gleichwertigen Arbeitsplatz bei einem befreundeten Unternehmen erhält. Gleichwertig ist ein solcher Arbeitsplatz auch dann, wenn keine Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit beim neuen Arbeitgeber stattfindet.
Rz. 103
Nimmt ein Sozialplan von seinem Geltungsbereich solche Mitarbeiter aus, die einen angebotenen zumutbaren Arbeitsplatz ablehnen, so gilt dies auch für den Fall, dass Arbeitnehmer dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses im Wege eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB widersprechen. Die Weiterarbeit beim Betriebserwerber nach einem Betriebsübergang ist dem Arbeitnehmer i.d.R. zumutbar.
§ 112 BetrVG enthält keine Regelung über Höchstgrenzen von Abfindungen. Das BAG lehnt es ab, § 113 Abs. 1 oder Abs. 3 BetrVG mit den Höchstgrenzen des § 10 KSchG entsprechend und damit zwingend anzuwenden. Andererseits ist es aber ohne Weiteres zulässig, wenn der Sozialplan Höchstbegrenzungsklauseln für die Abfindungen vorsieht, was v.a. bei der Berechnung nach einem Punktesystem in Betracht kommen kann. Bei Festlegung der Abfindungen sind die sozialen Belange der Arbeitnehmer, aber auch die wirtschaftliche Vertretbarkeit für das betroffene Unternehmen zu berücksichtigen. Sehr zweifelhaft ist es jedoch, wenn das BAG auch bei einem wirtschaftlich wenig leistungsstarken Unternehmen finanzielle Belastungen bis an den "Rand der Bestandsgefährdung" für zulässig erachtet.
Rz. 104
Eine Untergrenze von Abfindungen lässt sich § 112 BetrVG nicht entnehmen. Zwar ist die Einigungsstelle mit ihrer Ermessensausübung insoweit eingeschränkt, als der Sozialplan i.d.R. mindestens Leistungen vorsehen muss, die noch als substanzielle, spürbare Milderung der wirtschaftlichen Nachteile angesehen werden kön...