Dr. Burkhard Göpfert, Maximilian Melles
Rz. 35
Jeder vom Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer hat das Recht, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen. Sein Arbeitsverhältnis geht dann nicht auf den neuen Betriebsinhaber über. Der Widerspruch muss schriftlich innerhalb eines Monats nach Zugang des Unterrichtungsschreibens erklärt werden (§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB). Folge des Widerspruchs ist, dass das Arbeitsverhältnis des widersprechenden Arbeitnehmers nicht auf den neuen Betriebsinhaber übergeht, sondern beim bisherigen Arbeitgeber verbleibt.
a) Voraussetzungen
Rz. 36
Der Widerspruch bedarf keines sachlichen Grundes.
Rz. 37
In der Praxis kommt es gelegentlich vor, dass alle oder ein großer Teil der von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses – ggf. auch in einer abgestimmten Vorgehensweise – widersprechen. Gerade in Bereichen, in denen das Personal eine wichtige Rolle für die Fortführung der Geschäftstätigkeit hat und nicht ohne Weiteres ersetzt werden kann, kann eine solche kollektive Weigerung der Arbeitnehmer, zum neuen Betriebsinhaber zu wechseln, die Transaktion als Ganzes gefährden. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein kollektiver Widerspruch der Arbeitnehmer zulässig ist, ist in der Lit. im Einzelnen umstritten.
Das BAG hält die kollektive Ausübung des Widerspruchsrechts grds. für zulässig. Sie unterliege lediglich den allgemeinen gesetzlichen Schranken der Rechtsordnung und damit insb. der Kontrolle des Rechtsmissbrauchs gem. § 242 BGB. Dabei könne allein aus dem Umstand, dass mehrere Arbeitnehmer zeitgleich von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen, nicht auf die Unzulässigkeit des Widerspruchs geschlossen werden. Auch wenn die Arbeitnehmer kollektiv von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machten, sei dafür kein sachlicher Grund erforderlich. Der Widerspruch dürfe aber nicht der Erreichung unzulässiger Ziele dienen. Ein Rechtsmissbrauch liege vor, wenn die Zweckrichtung des kollektiven Widerspruchs schwerpunktmäßig nicht die Verhinderung des Arbeitgeberwechsels sei, sondern bspw. darauf abziele, den Betriebsübergang als solchen zu verhindern oder aber Vergünstigungen zu erreichen, auf die die Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch haben. Denn die Verhinderung des Betriebsübergangs würde die grundgesetzlich geschützte unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers beeinträchtigen. Daher hält das BAG den Arbeitgeber hinsichtlich der rechtsmissbräuchlichen Motive der Arbeitnehmer für darlegungs- und beweisbelastet.
b) Berücksichtigung des Widerspruchs i.R.d. Sozialauswahl
Rz. 38
Sehr umstritten war, ob und inwieweit i.R.d. Sozialauswahl der Umstand berücksichtigt werden kann, dass der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses im Wege des Betriebsübergangs gem. § 613a BGB widersprochen und somit eine Beschäftigungsmöglichkeit aufgegeben hat. Diese Frage wird relevant, wenn nur ein Betriebsteil übertragen wurde, also bei dem ehemaligen Betriebsinhaber noch ein Restbetrieb besteht. Das BAG hat insoweit seine Rspr. geändert und klargestellt, dass ein Widerspruch gegen einen Betriebsübergang und die Motive hierfür i.R.d. Sozialauswahl nicht berücksichtigt werden dürfen. Die Auflistung der Kriterien in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sei abschließend. Es ist grds. auch nicht zulässig, den Widerspruch und die Beweggründe hierfür dadurch zu berücksichtigen, dass alle Arbeitnehmer, die vom Betriebsübergang gar nicht erst betroffen waren, nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG von der Sozialauswahl ausgenommen werden und der Kreis der für eine Kündigung in Betracht zu ziehenden Arbeitnehmer so auf die widersprechenden Arbeitnehmer beschränkt wird. Etwas anderes ist nur denkbar, wenn der Widerspruch einer größeren Zahl von Arbeitnehmern und die daraufhin vom Arbeitgeber durchzuführende Sozialauswahl tiefgreifende Umorganisationen notwendig machen würden, die zu schweren betrieblichen Ablaufstörungen führen können. In diesem Fall ist es ausnahmsweise möglich, Teile der vom Betriebsübergang nicht betroffenen Arbeitnehmer gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG von der Sozialauswahl auszunehmen.