Rz. 26
Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlich ist und deshalb vor die Zivilgerichte gehört (§ 13 GVG), richtet sich, wenn eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Entscheidend ist die wahre Natur des Anspruchs, wie dieser sich nach dem maßgeblichen Sachvortrag (siehe oben Rdn 20) darstellt, und nicht, ob der Kläger sich auf eine zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft.
Rz. 27
Sind an einem streitigen Rechtsverhältnis ausschließlich Privatrechtssubjekte beteiligt, so scheidet die Zuordnung des Rechtsstreits zum öffentlichen Recht grundsätzlich aus, es sei denn, eine Partei wäre durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes mit öffentlich-rechtlichen Handlungs- oder Entscheidungsbefugnissen ausgestattet und gegenüber der anderen Partei als beliehenes Unternehmen tätig geworden. Bedient sich die Verwaltung privatrechtlicher Organisationsformen, ohne dass diesen die Befugnis eingeräumt wird, hoheitlich zu handeln, kommt für Klagen gegen diese privatrechtlichen Organisationen, auch wenn sie vom Staat gegründet und beherrscht werden, daher nur der Zivilrechtsweg in Betracht.
Rz. 28
Bei Beteiligung eines Trägers öffentlicher Gewalt kommt es für die Abgrenzung regelmäßig darauf an, ob die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient, was gegen eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit spricht. Doch kann andererseits aus einem Gleichordnungsverhältnis noch nicht ohne weiteres auf eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit geschlossen werden, weil auch dem öffentlichen Recht eine gleichgeordnete Beziehung zwischen Berechtigtem und Verpflichteten nicht fremd ist. So liegt es im Wesen eines – auch öffentlich-rechtlichen – Vertrages, dass sich die Vertragsparteien grundsätzlich gleichgeordnet gegenüberstehen. Schließlich kann ein und dieselbe Person, je nachdem in welchem der verschiedenen ihr wahrgenommenen, teils privat-, teils öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereiche – wie bei z.B. ein Mediziner, der sowohl Chefarzt eines Krankenhauses wie auch Durchgangsarzt der Berufsgenossenschaft ist – sie tätig wird, entweder privat- oder öffentlich-rechtlich handeln.
Rz. 29
Für die Abgrenzung von öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Vertrag kommt es daher auf dessen Gegenstand und Zweck an. Die Rechtsnatur des Vertrages bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzurechnen ist. Dabei ist für den öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen einem Träger öffentlicher Verwaltung und einer Privatperson typisch, dass er an die Stelle einer sonst möglichen Regelung durch Verwaltungsakt tritt. Für die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag kommt es nicht auf die Rechtsnatur der vom Geschäftsführer ergriffenen Maßnahmen, sondern darauf an, welchen Charakter das Geschäft gehabt hätte, wenn es vom Geschäftsherrn selbst ausgeführt worden wäre. Ob eine einem bereicherungsrechtlichen Anspruch zugrunde liegende rechtsgrundlose Vermögensverschiebung öffentlich-rechtlich oder zivilrechtlich zu beurteilen ist, kann, wenn ihr ein erkennbares Leistungsmotiv zugrunde liegt, anhand des weggefallenen oder hypothetischen Rechtsgrunds bestimmt werden; fehlt ein solcher Rechtsgrund oder ist er nicht erkennbar, kann die Abgrenzung dadurch vorgenommen werden, dass auf die grundsätzliche Rechtsnatur der erbrachten, aber fehlgeleiteten hoheitlichen Vergünstigung abgestellt oder danach gefragt wird, ob die an der rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung Beteiligten in einer öffentlich-rechtlichen Beziehung (siehe oben Rdn 28) zueinander stehen.
Rz. 30
In Zweifelsfällen, die auch nach Anwendung der vorstehenden Kriterien verbleiben, sind die Gerichte des Rechtszugs zur Entscheidung berufen, die besondere Sachnähe und Sachkunde hinsichtlich der Rechtssätze haben, die den Sachverhalt entscheidend prägen.
Rz. 31
Im Bereich des Unfallhaftpflichtrechts zählen zu den bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten insbesondere auch Verfahren über die folgenden Ansprüche:
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Schadensersatzansprüche aus Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten gegen die öffentliche Hand (sog. Amtshaftungsansprüche, § 839 BGB, Art. 34 S. 1 und 3 GG, § 40 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 VwGO); |
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vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl (§ 40 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 VwGO); |
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Ansprüche aus Verschulden bei der Anbahnung oder dem Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages (culpa in contrahendo); |
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Schadensersatzansprüche aus der Tätigkeit öffentlicher Krankenanstalten im Verhältnis zu ihren Benutzern; |
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Rückgriffsansprüche des Sozialversicherungsträgers und zwar auch dann, wenn sich der Rückgriff nicht gegen den Unternehmer, sondern gegen den Arbeitskollegen des verunglückten Versic... |