Rz. 47
Von der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges ist die der Zuständigkeit, d.h. nach der Befugnis zur Rechtsprechung des jeweils angerufenen Zivilgerichts im Einzelfall, streng zu trennen.
Die im Folgenden im Mittelpunkt stehende ordentliche streitige Gerichtsbarkeit wird durch Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte und durch den Bundesgerichtshof ausgeübt (§ 12 GVG):
I. Sachliche Zuständigkeit
Rz. 48
Die sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte umfasst in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit sie nicht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten zugewiesen sind, insbesondere Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 5.000 EUR nicht übersteigt (§ 23 Nr. 1 GVG). Unabhängig von dieser Streitwertgrenze sind dem Amtsgericht in ausschließlicher Zuständigkeit Streitigkeiten über Ansprüche aus Wohnraummietverhältnissen (§ 23 Nr. 2a) GVG) und bestimmte Streitigkeiten nach dem Wohnungseigentumsgesetz (§ 23 Nr. 2c) GVG) zugewiesen. Schließlich fallen unter anderem noch in seine – allerdings nicht ausschließliche – Zuständigkeit Streitigkeiten wegen Wildschadens (§ 23 Nr. 2d) GVG) und sog. – selten praktische – Reisestreitigkeiten (§ 23 Nr. 2b) GVG).
Rz. 49
Die Landgerichte sind in erster Instanz für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständig, die nicht den Amtsgerichten zugewiesen sind (§ 71 Abs. 1 GVG), und ferner ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes für die Ansprüche, die aufgrund der Beamtengesetze gegen den Fiskus erhoben werden (§ 71 Abs. 2 Nr. 1 GVG), für die Ansprüche gegen Richter und Beamte wegen Überschreitung ihrer amtlichen Befugnisse oder wegen pflichtwidriger Unterlassungen von Amtshandlungen (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG), für Schadensersatzansprüche wegen pflichtwidriger öffentlicher Kapitalmarktinformationen (§ 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG) und bestimmte Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Handelssachen (§ 71 Abs. 2 Nr. 4 GVG).
II. Örtliche Zuständigkeit
Rz. 50
Die örtliche Zuständigkeit – auch als Gerichtsstand bezeichnet – bestimmt, welches sachlich in erster Instanz zuständige Gericht, also Amts- oder Landgericht, den Rechtsstreit wegen seines örtlichen Sitzes zu erledigen hat; maßgebend ist der landesrechtlich geregelte Gerichtsbezirk.
1. Allgemeines
Rz. 51
Der allgemeine Gerichtsstand einer natürlichen Person wird durch deren Wohnsitz (§ 13 ZPO, §§ 7 ff. BGB), der einer juristischen Person durch ihren Sitz (§ 17 ZPO) bestimmt. Das dortige Gericht ist für alle Klagen gegen die Person zuständig (§ 12 ZPO).
Rz. 52
Daneben erlauben es aber besondere Gerichtsstände (insbesondere §§ 20 ff. ZPO), bestimmte Klagen auch bei anderen Gerichten zu erheben. Dies ist gerade dann von Nutzen, wenn – wie oftmals im Unfallhaftpflichtrecht – mehrere Personen verklagt werden sollen (§§ 59 ff. ZPO), die unterschiedliche allgemeine Gerichtsstände haben.
Rz. 53
Sofern kein ausschließlicher Gerichtsstand gegeben ist, hat der Kläger unter mehreren zuständigen Gerichten die Wahl (§ 35 ZPO). Die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes kann ein Aufrechnungsverbot enthalten. Bei fehlender örtlicher Zuständigkeit hat das angegangene Gericht den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das zuständige Gericht zu verweisen (§ 281 Abs. 1 S. 1 ZPO); der Verweisungsbeschluss ist für das darin bezeichnete Gericht – grundsätzlich – bindend (§ 281 Abs. 2 S. 4 ZPO). Diese Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn der Beschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. Hierfür genügt nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt vielmehr nur vor, wenn der Verweisungsbeschluss bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.
2. Besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO)
Rz. 54
Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist (§ 32 ZPO). Zweck dieser Regelung ist es, einen Gerichtsstand dort zu eröffnen, wo die sachliche Aufklärung und Beweiserhebung in der Regel am besten, sachlichsten und mit den geringsten Kosten erfolgen kann. Der Wahlgerichtsstand der unerlaubten Handlung ist für das Unfallhaftpflichtrecht von zentraler Bedeutung.
a) Unerlaubte Handlung (sachlicher Anwendungsbereich)
Rz. 55
Mit "unerlaubten Handlungen" erfasst der Gerichtsstand nicht nur Ansprüche aus Delikt (§§ 823 ff. BGB), sondern auch die Haftung aus einem Schiffsunfall (§§ 735–739 HGB, § 92 BinSchG) sowie die geset...