I. Partei-, Prozess- und Postulationsfähigkeit
Rz. 113
Die Parteifähigkeit (§ 50 ZPO), d.h. die Fähigkeit in einem Rechtsstreit klagen (aktive Parteifähigkeit) oder verklagt werden (passive Parteifähigkeit) zu können, entspricht im Wesentlichen der materiell-rechtlichen Rechtsfähigkeit, die Prozessfähigkeit der Geschäftsfähigkeit des materiellen Rechts (§ 52 ZPO, beachte auch § 51 ZPO: Vertretung eines Prozessunfähigen, § 53 ZPO: Betreuung oder Pflegschaft sowie § 55 ZPO: Prozessfähigkeit von Ausländern). Partei- und Prozessfähigkeit zählen zu den Prozessvoraussetzungen, deren Mangel das Gericht grundsätzlich in jeder Verfahrenslage – auch noch im Revisionsrechtszug – von Amts wegen zu berücksichtigen hat. Steht die Partei- oder Prozessfähigkeit einer Partei im Streit, so ist diese bis zu dessen Erledigung als partei- bzw. prozessfähig zu behandeln. Lässt sich nach Erschöpfung aller erschließbaren Erkenntnisquellen durch das Gericht (§ 56 Abs. 1 ZPO) nicht klären, ob eine Partei prozessfähig ist, so gehen verbleibende Zweifel zu deren Lasten.
Rz. 114
Die Postulationsfähigkeit ist die Fähigkeit, dem prozessualen Handeln die rechtserhebliche Erscheinungsform zu geben. Grundsätzlich ist jede prozessfähige Partei auch postulationsfähig, anderes gilt allerdings, soweit Anwaltszwang besteht (§ 78 ZPO).
II. Prozessführungsbefugnis
Rz. 115
Die Prozessführungsbefugnis ist das Recht, einen Prozess als die richtige Partei im eigenen Namen zu führen. Sie zählt zu den Prozessvoraussetzungen und ist daher von der in der Begründetheit – insbesondere im Hinblick auf einen Forderungsübergang (siehe hierzu § 23 und § 37 B) – zu prüfenden Sachbefugnis, das heißt der Aktivlegitimation des Klägers und Passivlegitimation des Beklagten, aufbaulich streng zu trennen. Denn nach dem maßgeblichen formellen Parteibegriff wird die Eigenschaft als Partei allein durch das Rechtsschutzbegehren, ohne Rücksicht auf die Beteiligung am streitigen materiellen Rechtsverhältnis bestimmt. Als Prozessvoraussetzung ist die Prozessführungsbefugnis, die den formellen Parteibegriff zur Vermeidung von Popularklagen einschränkt, in jeder Lage des Verfahrens – auch noch in der Revisionsinstanz – von Amts wegen zu prüfen.
Rz. 116
Inhaltlich steht die Prozessführungsbefugnis grundsätzlich dem Träger des streitigen Rechtsverhältnisses zu, also demjenigen, der daraus unmittelbar berechtigt und verpflichtet ist. Ausreichend ist daher regelmäßig, dass der Kläger behauptet, das geltend gemachte Recht stehe ihm zu. Nimmt der Kläger in dieser Weise ein eigenes Recht in Anspruch, fehlt die Prozessführungsbefugnis nur dann, wenn sie dem Rechtsinhaber ausnahmsweise entzogen ist, insbesondere im Falle einer Insolvenz- (§ 80 Abs. 1 InsO), Zwangs- (§ 152 Abs. 1 ZVG) oder Nachlassverwaltung (§ 1984 Abs. 1 BGB).
Rz. 117
Steht die Prozessführungsbefugnis ausnahmsweise nicht dem Rechtsträger, sondern – zumindest teilweise – einem anderen zu, handelt es sich um eine Prozessstandschaft, das heißt die Befugnis, im eigenen Namen über ein fremdes Recht einen Prozess zu führen: Hier fallen die Prozessführungsbefugnis, also die Fähigkeit über das behauptete streitige Recht im eigenen Namen einen Rechtsstreit zu führen, und die Sachbefugnis oder Sachlegitimation, die die Frage betrifft, wer aus dem geltend gemachten Recht materiell-rechtlich berechtigt und verpflichtet ist, auseinander mit der Folge, dass nicht dem eigentlich materiell Berechtigten, sondern einem anderen die Befugnis zusteht, in eigenem Namen über ein fremdes Recht einen Prozess zu führen. Wer im Wege der Prozessstandschaft ein Recht einklagt, das nicht ihm selbst zusteht, muss seine Befugnis zur Führung des Prozesses dartun und notfalls beweisen. Die Voraussetzungen für eine Prozessstandschaft müssen (noch) im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorliegen; zum Widerruf der Ermächtigung bei einer gewillkürten Prozessstandschaft siehe unten Rdn 125.
Rz. 118
Eine Sachbefugnis des Prozessstandschafters (siehe oben Rdn 115) ist mit seiner Prozessführungsbefugnis nicht zwingend verbunden, weshalb er – ohne diese – auf Leistung an den Rechtsträger klagen muss ("offene Prozessstandschaft"). Ob der Prozessstandschafter- sprich: Kläger – Leistung an sich begehren kann, hängt davon ab, ob die Leistung des Beklagten an ihn Erfüllungswirkung hat (§ 362 Abs. 2 BGB). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Prozessstandschafter nicht nur zur Prozessführung, sondern auch zur Einziehung der streitgegenständlichen Forderung ermächtigt wurde (§ 185 BGB, Einziehungsermächtigung).